Analyse
: Aids-Rätsel gelöst

■ Vom Aussterben bedrohte Schimpansen sind HIV-Überträger

Die Frage nach dem Ursprung des Aids-Erregers tauchte gleich nach der Entdeckung des Virus auf. Unzählige Wissenschaftler zerbrachen sich den Kopf darüber. Jetzt scheint das Rätsel gelöst zu sein. Nach Erkenntnissen der deutschen Virologin Beatrice Hahn, die an der Universität von Alabama in Birmingham (USA) arbeitet, geht der am weitesten verbreitete Virustyp, HIV-1, auf eine Unterart westafrikanischer Schimpansen zurück. Die Ergebnisse werden morgen in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht. Wie Beatrice Hahn vorab berichtete, stimmen die drei von Menschen bekannten HIV-1-Typen weitgehend mit einem Virus überein, den sie jetzt in den eingefrorenen Überresten einer schon vor Jahren verstorbenen Schimpansin fand. Daß dieses Virus einst von Affen auf Menschen übergesprungen ist, hatte man lange vermutet. Doch kannte man bei HIV-1 weder die genaue Unterart noch den ursprünglichen Übertragungsweg.

Aids-Rätsel gelöst Vom Aussterben bedrohte Schimpansen sind HIV-Überträger

Schimpansen können sich zwar mit dem Aids-Virus infizieren, aber nicht an Aids erkranken. In ihrer genetischen Ausstattung stimmen Menschen und Schimpansen zu 98 Prozent überein. Doch schon geringste Abweichungen entweder im Erbgut des Virus oder seines menschlichen Wirts könnten so weitreichende Folgen haben, daß sich aus dem Infektionsverlauf bei Affen keinerlei Schlüsse auf Menschen ziehen lassen. „Das Ergebnis ist hochinteressant für die Grundlagenforschung, hat aber noch keine praktische Bedeutung“, meint die renommierte Virologin Helga Rübsamen-Waigmann, Leiterin der Virenforschung beim Pharmaunternehmen Bayer. Für Impfstoffe oder Medikamente nütze insofern „die Erkenntnis nichts, weil Affen und Menschen zu unterschiedlich sind“.

Weitaus größere Bedeutung dürfte Hahns Entdeckung für die Frage haben, wie tierische Krankheitserreger überhaupt auf Menschen überspringen können. Dieses Problem hat höchste Brisanz, weil in Tieren noch unzählige Krankheitserreger vermutet werden, die irgendwann Menschen infizieren und ähnliche Epidemien auslösen könnten wie HIV. Vielleicht tragen die jüngsten Erkenntnisse zur Entwicklung von Testverfahren bei, mit denen sich neuartige Infektionserreger zumindest früher erkennen ließen als bisher. Im Falle von HIV-1 infizierten sich Menschen vermutlich durch das Blut von Affen, die zum Verzehr geschlachtet wurden; vielleicht wurden sie auch von Affen gebissen. Ob es aber bei den Schimpansen noch Gelegenheit gibt, die Infektionswege des Aidsvirus im natürlichen Umfeld zu studieren, scheint indes zweifelhaft. Die Schimpansenart wurde in ihrer westafrikanischen Heimat so intensiv bejagt, daß sie kurz vor der Ausrottung steht. Irene Meichsner