Inseln der eiligen Beats

■ Mit Doc Scott und DJ Bailey leiten zwei DJs vom Metalheadz-Label den Generationenwechsel im Drum'n'Bass ein

Mit Pop ist es wie mit dem Essen. Parma heiligt der Schinken, Lübeck wäre nie bekannt, gäbe es nicht die überflüssigen roten Marzipanherzchen. Berlin liebt seine Techno-Szene, in Köln tummeln sich die Elektro-Frickler, und Hamburgs Schüler schleichen sich galant in die Musikcharts ein. Frankreich hingegen denkt gerade groß.

Wo aber bleibt da Drum'n'Bass? Hier scheint jede Stadt ihr eigenes Süppchen zu kochen. Geburtsort ist zwar London, aber die Insel ist nah, die eiligen Beats haben längst die Schallmauer durchbrochen. Neben der Drum'n'Bass-Hochburg Mannheim, wo seit einiger Zeit fleißig produziert wird, bemühen sich Berlin und Hamburg darum, ihre basslastigen Oasen zu pflegen. Der Mojo Club läßt regelmäßig Metalheadz-Größen einfliegen, während die Betreiber des Cubic die Herausforderung mit lokalen DJs annahmen. Ein Feinschmeckerprogramm, das leider schiefging. In großem Stil verbreitete sich kurz darauf das Gerücht, daß Drum'n'Bass momentan leicht kränkele, der Vorwurf der Stagnation machte sich breit – zumindest an der Elbe.

Über derartige Sorgen können Goldie und Co. nur gelangweilt lächeln. Wer mit der derzeitigen Situation im Drum'n'Bass Probleme hat, darf sich vertrauensvoll an Doc Scott wenden. Der DJ, ebenfalls als Pfadfinder unter dem furchterregenden Totenkopf-Banner unterwegs, wurde zum Akademiker der Metalheadz-Familie auserkoren. Seinen Doktor-Titel verdankt der 25jährige den Altmeistern Fabio und Grooverider, die er zu seinen wichtigsten Lehrern zählt. Doc Scott gehört zur zweiten Drum'n'Bass-Generation und behauptet von sich, der Denker seines Genres zu sein. Als musikalischer Philosoph, Psychologe und Humanmediziner entwickelt Doc Scott eine Musik, die „physikalische Grenzen überschreitet und Felder mentaler Halluzination eröffnet“. Überhaupt soll alles einen Sinn ergeben: ein Track, ein Set, ein Beat. Seine eigenen Produktionen sind ganze metaphysische Diskurse und tragen Titel wie „Shadow Boxing“ oder „Octave One Technology“. Große Vorgaben, die einen Unterschied zu seinen Labelmates Kemistry & Storm deutlich machen. Während Doc Scott mit düsteren Industrial-Klängen ständig auf der Hut vor bösen Kommerzialisierungen ist, glauben Kemistry & Storm an die einfache Pop-Formel.

Das Metalheadz-Label, einst Markenzeichen von Goldie, hat sich in den letzten Jahren vielschichtig erweitert. Während die Altmeister wild experimentieren, sind die anderen DJs gerade damit beschäftigt, der Welt zu beweisen, daß Drum'n'Bass noch lange nicht am Ende seiner Möglichkeiten ist. Dazu gehört auch DJ Bailey, das neue Sternchen am Blue Note-Himmel, der sich seit einiger Zeit stolz das Banner unter den Arm klemmt und erstmals in Hamburg zu sehen sein wird. Wer also noch Hoffnung auf die Ressourcen von Drum'n'Bass hegt, sollte es noch einmal versuchen. London rules!

Claude Jansen Doc Scott: Fr, 5., 23 Uhr, Mojo Club / DJ Bailey: Fr, 12. Februar, 21 Uhr, Kunstraum der Markthalle