Klischee –betr.: „Highlight in Lüneburgs Kultur-Wüste“, taz-Hamburg vom 23.1.1999

Auch für eine Schreiberin der taz scheint zu gelten, daß nicht sein kann, was nicht sein darf: daß nämlich außerhalb der Metropole – und dazu sogar noch südlich der Elbe – so etwas wie ein Kulturleben vorhanden sein könnte, das es darüber hinaus sogar durchaus verdient hätte, in der taz einmal Erwähnung zu finden. Mit Überschriften wie „Highlight in Lüneburgs Kultur-Wüste“ soll wohl das Klischee genährt werden, daß sich im Kulturleben der Provinzstädte im Hamburger Umland lediglich tumbe Dorftrottel oder debile Einsiedler tummeln.

Herzlich eingeladen ist die Kulturredaktion der taz – die übrigens auch in niedersächsischen Wüstengegenden gelesen wird –, vor Ort noch einmal richtig zu recherchieren, wobei unter zahlreichen anderen besonders drei Institutionen mit hohem Niveau Hervorhebung verdienen:

–das Studien-Zentrum für Neue Musik mit einem jährlich stattfindenden Festival für Neue Musik, verbunden mit über das ganze Jahr hindurch stattfindenden Konzerten (zahlreiche Uraufführungen, Komponistenbegegnungen);

–das Kulturforum Lüneburg – ein einzigartiger Veranstaltungsort außerhalb der Stadt mit einer Konzertscheune, in der besonders im Sommer neben Kabarett hochkarätiger Jazz geboten wird (die darüber hinaus angeschlossene Kunst-Galerie hat sich mittlerweile weit über die Grenzen der Stadt hinaus einen Namen gemacht);

–das Heinrich-Heine-Haus (Literaturbüro), in dem sich erstklassige Autorinnen und Autoren deutscher als auch internationaler Herkunft die Klinke in die Hand geben und das seiner Aktivitäten im Literaturbereich wegen geradezu Vorbildcharakter in Norddeutschland hat.

Ist es wirklich zuviel verlangt, einmal genauer hinzusehen, anstatt eine Stadt – die darüber hinaus auch ihre architektonischen Reize hat – mit derartigen BILD-Überschriften pauschal herabzusetzen?

Markus Dauber