Grob gestrickt & fein gehäkelt

Zwischen Kunst und Handwerk: Auf Kampnagel präsentieren sich die Bewerber für die Arbeitsstipendien 1999  ■ Von Hajo Schiff

Vom traditionellen Tafelbild über giftige Orchideenaquarelle und gestrickte Installationen zur Kunstbetriebskunst: Manches kennt der aufmerksame Beobachter der hiesigen Kunstszene seit langem, anderes in der Ausstellung der Bewerber um das Hamburg-Stipendium 1999 bereitet einige Überraschung. 20 Künstlerinnen und 13 Künstler sind nach eingehender Begutachtung aus 179 Bewerbern in die Endrunde gekommen und dürfen sich in der Halle K3 auf Kampnagel präsentieren. Diese traditionelle Ausstellung ist von einem Wochenende auf zehn Tage verlängert worden, und selbst ein Profi wie der Galerist Ulrich Dörrie findet diese bunt gemischte Ansammlung von grundverschiedenen Arbeitsweisen seit Jahren die interessanteste Veranstaltung der Stadt.

Wo am Ende des Jahrhunderts der ganze Kunstbetrieb sich in Retromoden ergeht, ist es oft schwierig, zu entscheiden, ob spezielle künstlerische Positionen noch immer oder immer wieder oder schon wieder eingenommen werden. Mit dem „Orchester der Dinge“ spürt Cecile Noldus in guter alter Fluxus-Manier dem Sound simpler Objekte nach. Doch neu ist die MTV-Perfektion, mit dem dies im Video aufbereitet ist und ihr Kartoffelchor tausendfältig neue Formen annimmt: Ein eher seltener Fall von Witz in dieser Auswahl.

Traditionell und beeindruckend düster gibt sich hingegen Klaus Hoefs mit seinen Zeichnungen von Nachtfaltern, die sich kaum aus der Schicht dichter Graphitschraffuren befreien können, und den dunkelgrünen Holztafeln mit Kohlezeichnungen des Teutoburger Waldes. Introvertiert auch die schemenhaften Porträts von Katherina Kohl, Bilder wie verschwommene Erinnerungen oder eine Rußspur einst flammenden Lebens.

Pfiffig und fast zu marketingsicher dagegen kommt die Kunst daher, die sich mit der Reflexion des Kunstbetriebes befaßt. Da ist vor allem Christian Jankowski, der den Direktor des Hamburger Kunstvereins in einen Pudel verwandeln ließ, im renommierten Frankfurter Portikus öffentlich versuchte, sein erstes Buch zu schreiben und der statt einen Beitrag für den letzten „Steirischen Herbst“ in Graz zu liefern, dokumentierte, wie er mit einem Therapeuten darüber sprach, warum ihm nichts mehr einfällt.

Auch die dreist platzgreifende Pferdekoppelzaunplastik von Stephan Kern mit ihrer Thematisierung von Ein- und Ausgrenzung darf als Kommentar zum Kunstbetrieb gesehen werden. Und vielleicht ist es heute sogar notwendiger, Ideen zu vernetzen, als einzelne Werke zu bauen: Ania Corcilius bewirbt sich damit, daß sie seit Jahren mit dem Super Umbau eine kritische Urbanistenzeitung im Selbstverlag herausbringt.

Fotografie gehört heute wie selbstverständlich in das Kunstspektrum. Da fallen die einen zweiten Blick erzwingenden Alltagsbilder von Nicole Wermers und Jeane Faust auf oder die genreübergreifende Erkundung von Bildtopoi bei Ralf Weißleder, während die dokumentarischen Architekturerkundungen von Alexander Rischer eher fürs Denkmalschutzamt geeignet scheinen. Daß Fototechnik auch zu ganz malerisch verstandenen Bildschichtungen führen kann, zeigt Carmen Oberst mit ihren geradezu alchemisch komplexen Dunkelkammerprodukten.

Auch für dieses Jahr können zehn Stipendien von je 1600 Mark im Monat vergeben werden. Denn obwohl trotz größten Protestes die Kulturbehörde ihre Leistung in diesem Bereich halbiert hat, wird die andere Hälfte durch fünf private Stifter getragen. Im amüsanten Spiel, selbst die Stipendien zu verteilen können als Favoriten gelten: Ania Corcilius, Jeanne Faust, Benita von Laffert, Cecile Noldus, Carmen Oberst, Klaus Hoefs, Christian Jankowski und Ralf Weißleder. Die drei Namen, die für ganz grauenhafte Arbeiten stehen, seien dagegen freundlich verschwiegen. Und sowieso: In Kenntnis der Mappen, Biographien und Vernetzungen der Bewerber entscheidet jede Jury anders.

Bewerber für das Arbeitsstipendium für bildende Kunst der Freien und Hansestadt Hamburg, K3 auf Kampnagel; Di – Fr, 18 – 20 Uhr; Sa + So 16 – 20 Uhr, bis 7. Februar