Die Bremer Kinotaz ... ... alle Filme, alle Termine

A

Akira Japan 1987, R: Katsuhiro Otomo

„In dem aufwendigsten japanischen Zeichentrickfilm aller Zeiten brettern Superhelden auf Motorrädern durch ein apokalyptisches Neo-Tokio. Viel Action, Blut und mystische Weltuntergangstimmung. In bester Godzilla-Tradition wird Tokio gleich zweimal komplett zerstört, und das Monster ist ein schmächtiger Teenager. Also einer von denen, die solche Comics wie Akria verschlingen.“ (hip) Filmstudio

Antz USA 1998, R: Eric Darnell, Tim Johnson

„Die titelgebenden emsigen Ameisen in diesem digitalen Animationsfilm werden von Schauspielergrößen wie Woody Allen, Sharon Stone oder Gene Hackman gesprochen. Selbst die eigentlich recht grausigen Kauwerkzeuge der Sechsbeiner wichen den Gesichtszügen und Persönlichkeiten einiger Stars (in der deutschen Fassung sind die Stimmen der jeweiligen Synchronsprecher zu hören). Die Arbeiter-Ameise Z-4195 sehnt sich nach Individualität im durchorganisierten Ameisenstaat und nach der Liebe der Prinzessin Bala. Sein Freund ist der treue Ameisenmuskelprotz Weaver, sein Feind der totalitäre General Mandible. Rasant, spannend, liebeswert und intelligent. Mainstream, der zufrieden macht, ohne zu unterfordern.“ (tip) CinemaxX, Filmstudio, Lindenhof-Lichtspiele (Wildeshausen)

Asterix - Operation Hinkelstein Deutschland/Frankreich 1988, R: Philippe Grimond

„Sechstes Leinwandabenteuer der Comic Helden Asterix und Obelix, kompiliert aus verschiedenen Comic-Abenteuern. Der Gallier-Stamm scheint ohne den kraftspendenden Zaubertrank seines Druiden dem Untergang geweiht, zumal ein finsterer Seher diese Entwicklung prophezeit. Zeichentricktechnisch wurden die Filme mit der Zeit immer besser, aber so gut wie die Comics waren sie nie, und so hinkt auch dieser hoffnungslos den bekannten Pointen hinterher.“ (taz) UFA-Palast

Ausnahmezustand USA 1998, R: Edward Zwick, D: Denzel Washington, Bruce Willis

"Islamische Terroristen zünden Bomben im Allerheiligsten Amerikas: in Schulen, einem Broadway-Theater und dem Hauptquartier des FBI in New York. Da wird nicht lange gefackelt. FBI-Agent Anthony Hubbard (brilliant: Denzel Washington) exekutiert nur Einzeltäter; General Devereaux (humorlos: Bruce Willis), sein Armee-Konkurrent bei der Bekämpfung der Staatsfeinde, pfercht gleich alle Moslems von Manhattan in Internierungslager. Bigottes Propagandawerk.“ (Der Spiegel) CinemaxX, UFA-Palast, UT-Kinocenter, Lichtspielhaus (DEL), Wallkinos (Ol)

B

The Big Lebowski USA 1998, R: Joel Coen, D: Jeff Bridges, John Goodman

Oblomov trifft hier auf Philip Marlowe, und man muß schon die irrrwitzige Fantasie der Coen-Brothers haben, um den größten Faulpelz der Literaturgeschichte mit Raymond Chandlers gebrochen romantischen Privatdetektiv in einer Figur zu vereinen. Jeff Lebowski ist „der trägste Mensch von Los Angeles“: Der ewige Hippie schlürft ständig bekifft und in Boxershorts durch den Film. Ausgerechnet dieser Antiheld wird nun in eine äußerst komplizierte Entführungsgeschichte verwickelt, bei der die Konventionen des Detektivfilms mit schönstem Übermut ad absurdum geführt werden. (hip) Filmstudio

Blade USA 1998, R: Stephen Norrington, D: Wesley Snipes, Kris Kristofferson

„Blade, ein Mensch-Vampir-Hybrid, wurde von Whistler, einem Vampirjäger, darauf abgerichtet, die Kreaturen der Nacht zu töten, deren Aktivitäten immer tollkühner und organisierter werden. Blades Gegenspieler, ein Vampir namens Frost, hofft, die etablierte Vampir-Aristokratie zu stürzen, indem er eine Serie von apokalyptischen Geschehnissen auslöst – die von Vampirpropheten vorhergesagt wurden und die dazu führen sollen, daß die Vampire die Menschheit beherrschen. Man sagt oft, daß die Filme heute wie Comics wirken, aber wie oft stimmt das wirklich? Im Fall von „Blade“ – der auf einem Marvel-Comic basiert – kann ich erfreut berichten, daß all die gespenstischen Farben, phantasmagorischen Bilder, rücksichtlose Action, byzantinischen Intrigen und sublimierten Homoerotismen, die das Comic-Genre auszeichnen, hier in liebevollen Details glänzen. Besonders in diesem Jahr der enttäuschenden Großproduktionen Hollywoods ist „Blade“ knallig erfolgreiche Unterhaltung.“ (Sight and Sound) CinemaxX

C

Central Station Brasilien/Frankreich 1997, R: Walter Salles, D: Fernanda Montenegro, Vinicius de Oliveira

"Mit Gott folge ich meinem Schicksal“ steht auf dem Schild an einem Lastwagen, mit dem die ehemalige Lehrerin Dora und der neunjährige Josué durch Brasilien reisen. Sie sind auf der Suche nach Josués Vater, doch diese Schicksalsgemeinschaft ist keineswegs harmonisch. Dora, die sich ihren Lebensunterhalt mit Briefeschreiben am Hauptbahnhof von Rio verdient, hatte für Josués Mutter einen Brief an ihren Mann verfaßt. Minuten später stirbt diese bei einem Unfall. Josué hat niemanden mehr außer Dora; und die nimmt sich, zunächst nur widerwillig, seiner an. Ein wunderschönes, poetisches Roadmovie mit erfrischendem Witz und zwei Hauptdarstellern, die man nicht sofort, doch dann um so inniger ins Herz schließt.“ (TV-Spielfilm) City

D

Dinner für Spinner Frankreich 1997, R: Francis Veber, D: Thierry Lhermitte, Jaques Villeret

„Boulevardspaß mit Screwball-Comedy-Dynamik um eine Runde Schnösel, die sich gerne an Idioten belustigen, bis diese sie eines Besseren belehren.“ (Focus) UFA-Palast

23 Deutschland 1998, R: Hans-Christian Schmid, D: August Diehl, Fabian Busch, Dieter Landuris

„Die USA führten auf dem Bikini-Atoll 23 Atomtests durch. Unbekannte erschossen Schwedens Premierminister Olaf Palme um 23.23 Uhr. Zufall? Der Schüler Karl Koch sieht in der Zahl 23 den Schlüssel zu einer Weltverschwörung, wie sie Robert Anton Wilson in seinem Buch „Illuminatus!“ beschreibt. Allein aus dieser Theorie kann sich der 19jährige das Chaos erklären, das ihn 1986 umgibt: Terror, Kalter Krieg, atomare Bedrohung. Ein kleiner Computer hilft bei der Suche nach der Wahrheit. Karl klingt sich in fremde Rechner ein, bekämpft die Müdigkeit mit Drogen und spinnt seine Verschwörungstheorie weiter. Hans-Christian Schmid macht das Wunder wahr: Sein auf Tatsachen beruhender Film ist ein deutscher Thriller, der fesselt, zum Nachdenken anregt und das Zeitgefühl der 80er Jahre widerspiegelt. Zudem bringt er den stärksten Neuzugang des deutschen Kinos auf die Leinwand: den Berliner August Diehl. Er verkörpert den „echten“ Karl Koch, der 1989 auf ungeklärte Weise starb - mit 23 Jahren, am 23. Mai.“ (TV-Spielfilm) CinemaxX, Casablanca (Ol)

Düstere Legenden USA 1998, R: Jamie Blanks, D: Alicia Witt, Jared Leto

„Ein naher, aber nicht ganz so cleverer Verwandter der „Scream“-Familie: Moderne Mythen sind der Aufhänger dieser Metzelmär. Kennt man hierzulande Schauer-Stories á la „die Spinne in der Yuccapalme“, ist's in der USA eben der Axt-Mörder auf der Rückbank oder jener unheimliche Anrufer, der sich bereits im selben Haus befindet. Mit solcherlei Gruselgags vertreiben sich in diesem Film Studenten an einer US-Uni die Abende, bis ihnen die schalen Späße eines Tages im Halse steckenbleiben, weil irgendein Witzbold die Geschichten in die Tat umsetzt und ein schönes, junges Wesen nach dem anderen ins gepflegte Uni-Gras beißt. Die gar nicht mal üble Idee, den Mords-Reigen auf diese Weise zu legitimieren, hatte ein 22jähriger Filmstudent, die Regie vertraute man einem unbescholtenen 26jährigen Australier an. So ist wohl zu erklären, daß trotz kühler Kosten-Nutzen-Analyse (Teenies + Killer + Ironie - Produktion = immer noch großer Reibach) „Düstere Legenden“ einen so frischen Eindruck macht“ (TV-Spielfilm) CinemaxX, UFA-Palast, UT-Kinocenter, Gloria (Del)

E

Eine zweite Chance USA 1998, R: Forrest Whitacker, D: Sandra Bullock, Harry Connick Jr.

„Das tränenreiche Platzen einer amerikanischen Seifenblase: Texas Beauty Birdee Pruitt (verquolen: Sandra Bullock) liebt den Footballstar ihrer High-School. Es folgen Ehe, Großstadtleben, Tochter, Seitensprünge des Gatten – ausgerechnet mit Birdees bester Freundin. Die beichtet die Affäre zeitgemäß in einer TV-Talkshow. Waidwund flieht die betrogene Birdee zu ihrer Mutter (kauzig: Gena Rowland) in den Heimatort Smithville. Ihr Unglück wirkt hier wie ein Jungbrunnen: ehemalige Schulfreundinnen erfreuen sich Birdees Erniedrigungen und die Großmutter betätigt sich als Kupplerin. Nur der Tischler Justin (drall: Harry Connick Jr.) wirbt unbeirrbar um seine Jugendliebe. Regisseur Forest Whitacker wiederholt in diesem Rührwerk seine flauschige Botschaft aus „Waiting to Exhale“: Eine Frau muß nur kräftig durchatmen, und schon kommt ihr Cowboy angeritten.“ (Der Spiegel) UT-Kino

Ein perfekter Mord USA 1998, R: Andrew Davis, D: Michael Douglas, Gwyneth Paltrow

„Ein perfekter Plan: Der Hitchcockklassiker „Bei Anruf Mord“ wird hinterrücks zur Strecke gebracht und durch ein Remake ersetzt. Darin darf Gwyneth Paltrow die aktuelle Wintermode präsentieren und Michael Douglas fiese-kalt gucken. Aber etwas läuft schief: Hitchcocks Film ist gar nicht tot, das Vorbild rächt sich - und das Remake entpuppt sich als seelenloser Abklatsch.“ (Der Spiegel) Filmstudio

Elizabeth Großbritannien 1998, R: Shekhar Kapur, D: Cate Blanchett, Christopher Eccleston, Geoffrey Rush, Fanny Ardant

In England wetzen die Besserwisser schon die Messer, um dem Regisseur Shekhar Kapur all die historischen Fehler seines Films über die „jungfräuliche Königin“ Elisabeth I vorzuhalten. Dabei hatten die Produzenten ihn ja gerade darum engagiert, weil er als Inder nicht den Bildungsballast mit sich herumschleppte, der einen britischen Regisseur niedergedrückt hätte. „Sie wollten einen ignoranten und chaotischen Regisseur“, so Kapur souverän kokett in Venedig. Und der hat ihnen nun ein wundersames Stück Kino hingesetzt: Spannend wie ein Thriller, grandios ausgestattet und mit einer feinen Balance zwischen blutigen Hofintrigen und dem psychologisch tiefen Portrait einer Frau, die dazu gezwungen wird, Macht auszuüben, und dafür ihre Identität und ihr Glück opfern muß. Cate Blanchett verkörpert die Königin wunderbar intensiv und vielschichtig: zugleich dünnhäutig, energiegeladen und später eiskalt. Dies ist alles andere als ein Kostümschinken. (hip) Filmstudio

Ellen Auerbach/Grete Stern Deutschland 1992/93 R: Antonia Lerch

Begleitend zur Ausstellung „Elfriede Stegemeyer - Fotografien“ in der Kunsthalle zeigt das Kino 46 die Porträts zweier Fotografinnen, die zur gleichen Zeit wie Elfriede Stegemeyer in Deutschland gearbeitet haben. Kino 46

E-M§il für Dich USA 1998, R: Nora Ephron, D: Tom Hanks, Meg Ryan

„Seit „Schlaflos in Seattle“ gelten Tom Hanks und Meg Ryan als Dream-Team des Biedersinns. Nun spielen sie zwei Buchhändler, die sich erbittert Konkurenz machen, aber im Internet unwissentlich eine innige Freundschaft pflegen. Die beiden Schauspieler zappeln mit geöltem Charme durch das Remake des Lubitsch-Klassikers „The Shop around the Corner“. Trotzdem fehlt dieser Romanze ein wenig Herzblut, da halfen auch nicht die paar Millionen Dollar, mit denen der Online-dienst AOL den Film gefördert hat.“ (Der Spiegel) CinemaxX

Emil und die Detektive Deutschland 1931, R: Gerhard Lamprecht, D: Fritz Rasp, Käthe Hsack

Erste und beste Verfilmung von Kästners Kindergeschichte nach einem Drehbuch von Billy Wilder. (taz) Schauburg, Casablanca (Ol)

Erklärt Pereira Italien/Frankreich 1995, R: Roberto Faenza, D: Marcello Mastroianni

„Lissabon unter der Salazar-Diktatur Ende der dreißiger Jahre: Der Kulturredakteur Pereira ist der bürgerlich-unpolitische Intellektuelle schlechthin, doch die Begegnung mit einem jungen Regimefeind läßt ihn zum Widerstandskämpfer werden. Aus dem berühmten Buch von Antonio Tabucchi ist ein allzu literarisch-betulicher Film geworden, den jedoch Marcello Mastroianni in seiner vorletzten Rolle mit wärmender Melancholie erfüllt.“ (Der Spiegel) Filmstudio, Casablanca (Ol)

Die Ewigkeit und ein Tag Griechenland 1998, R: Theo Angelopoulos, D: Bruno Ganz, Isabelle Rennauld

„Auch der jüngste Film von Angelopoulos, der im letzten Jahr in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde, spielt in den herben, verschlossenen Landschaften Nordgriechenlands, wo noch über den sonnigen Tage eine Stimmung des Abschiednehmens liegt. Er handelt von einem Mann, der nicht mehr lange zu leben hat und nun, vor dem Eintritt ins Spital, seine letzten Angelegenheiten ordnet. Bruno Ganz verkörpert in einer sehr dichten, geschlossenen Leistung diesen todkranken Schriftsteller, dem in der Rückschau auf sein unerfülltes Leben Bilder seiner Ehe und aus seiner Jugend aufsteigen, und er plötzlich neue Energien schöpft aus der Begegnung mit einem Albanerjungen, der illegal ins Land gekommen ist.“ (Neue Zürcher Zeitung) Europa

F

Falling Down USA 1992, R: Joel Schumacher, D: Michael Douglas, Robert Duvall, Barbara Hershey

„Ein (namenloser) Bürger von Los Angeles dreht während eines nicht endenden Autostaus durch und begegnet den Frustrationen des amerikanischen Großstadtalltags mit zorniger Gewalttätigkeit. Realistische Beschreibung von Auswüchsen und Mißständen, die sich in der zunehmend kompromiß- und routinehaften Inszenierung auf unentwirrbare Weise mit rassistischen Elementen und gesellschaftlichen Vorurteilen aller Art vermischt. In seiner vornehmlich emotionalen Argumentation vermag der Film der Fatalität der Zustände weniger abzuhelfen, als er sie fördert.“ (Lexikon des internationalen Films) CinemaxX

Fear and Loathing in Las Vegas USA 1998, R: Terry Gilliam, D: Johnny Depp, Benicio Del Ricci

„In der vollen Lobby eines Hotels in Las Vegas verzieht sich das Gesicht einer Frau - ihre Gesichtszüge zerfließen wie auf einer Clownsmaske. Während die Kamera durch den plüschigen Raum schwenkt, der mit hartgesottenen Touristen gefüllt ist, verwandeln sich diese plötzlich in eine böswillige Versammlung von Eidechsen, die mit ihren lippenlosen Mündern schmatzen und verschwörerische Blicke werfen. Diese Szenen, eines von den vielen grotesken Tableaus in Hunter S. Thompsons brillanter, geifernder Explosion von verbaler Psychedelia wurde von Terry Gilliam mit einer Werktreue zu der halluzinatorischen Bilderwelt des Autors verfilmt, die man bisher für unmöglich hielt. Aber hier ist es alles in seinem herrlichen Geisterbahn-Horror: die größte sinnliche Annäherung an einen LSD-Trip, die je in einem Mainstream-Film erreicht wurde.“ (New York Times) Cinema

Das Fest Dänemark 1997, R: Thomas Vinterberg, D: Ulrich Thomsen, Thomas Bo Larsen

Thomas Vinterbergs „Das Fest“ steht in einer lange Reihe von Romanen, Theaterstücken und Filmen, bei denen eine Familienfeier im Mittelpunkt steht, auf der schön langsam und dramatisch die schlimme Wahrheit über eine Familie ans Licht kommt. Aber so radikal wie hier wurde ein Clan selten seziert, so aufwühlend traute sich bisher kaum ein Regisseur, den Witz neben die Tragödie zu setzen. Da beschuldigt ein Sohn seinen Vater bei der Glückwunschrede zu dessen 60. Geburtstag, ihn und die Schwester in ihrer Kindheit sexuell mißbraucht, und sie damit in den Selbstmord getrieben zu haben. Alle anderen Gäste versuchen zuerst mit allen Mitteln, die Form zu wahren, doch das Fest entwickelt sich unaufhaltsam zu einem Familieninferno, bei dem der Charme der Bourgeoisie langsam zerbröselt. All das zeigt uns Vinterberg in wackeligen, ausschließlich mit der Handkamera gedrehten Bildern, denn „Festen“ wurde nach dem „Dogma 95“ produziert. Vier dänische Regisseure, darunter auch Lars von Trier, haben einen „Schwur der Keuschheit“ abgelegt, und einander versprochen, Filme nur noch nach einem festen Regelwerk zu inszenieren. Gemäß den zehn Geboten ihres Dogmas darf nur an Originalschauplätzen mit natürlichem Licht und mit Handkamera gedreht werden. Es darf keine speziell eingespielte Musik, keine „oberflächliche Action“ und keine „optischen Spielereien“ geben. Nach Aussagen von Vinterberg inspiriert diese erzwungen Einfachheit ungemein, und zumindest bei „Das Fest“ hat man nie das Gefühl, einen durch ein Dogma verengten Film zu sehen. Statt dessen wirken alle Szenen extrem direkt und authentisch, und durch den Verzicht auf Kinokonventionen ergibt sich ein neuer, genauerer Blick auf das Drama. Distanz ins kaum möglich, und so geht einem der Film lange nicht aus dem Kopf. (hip) Gondel, Cinema, Casablanca (Ol), Apollo (Whv)

Fette Welt Deutschland 1998, R: Jan Schütte, D: Jürgen Vogel, Julia Filimonov

„Die Welt, die dieser Film zeigt, ist alles andere als „fett“. Aus der Untersicht der Obdachlosen, der Penner sehen wir das heutige München: In Rohbauten, auf öffentlichen Toiletten oder unter den Isarbrücken schläft die Handvoll von Unglücksraben, die die Helden dieses ganz untypischen deutschen Films sind. In den ersten Minuten bekommt man erst einmal einen Schreck: Will man wirklich anderthalb Stunden lang miterleben, wie sich dieses verlorene Häuflein Menschen mit ihrem Elend abplagt? Und Jan Schütte macht es uns nicht leicht. Er erspart uns die unappetitlichen Details dieses Lebens nicht, und die Kamera kommt den verfilzten Säufern und durchnäßten Wollsachen so nah, daß einem ihr Gestank fast in die Nase kriecht. Aber langsam erkennt man, wie genau Schütte hier jede einzelne Persönlichkeit zeichnet. Die Dialoge sind (auch wenn man sie manchmal im tiefsten bayerisch gelallt kaum versteht) pointiert und präzise geschrieben, und es gelingt den Schauspielern, daß man bald nicht mehr auf ihre dreckigen Lumpen und Plastiktüten mit Habseligkeiten, sondern auf ihre ganz eigenen Charkaterzüge und Schicksale achtet. Große Dramen sind für Schütte nicht nur unter Königen und Villenbesitzern möglich, und so erzählt er in „Fette Welt“ eine Liebesgeschichte, die dadurch, daß sie unter Brücken und in Bahnhofshallen stattfindet, nichts an Intensität und Dramatik verliert. Der Film hat zwar mit Jürgen Vogel einen Star in Höchstform, und nach der Hälfte konzentriert er sich auch immer mehr auf dessen Geschichte, aber am eindrucksvollsten bleiben die Szenen, in denen seine ganze Ersatzfamile unter ihrer Brücke hockt, schläft, streitet, miteinader ißt, säuft, sich versöhnt und nebenbei immer wieder einige schön gesetzte Witze reißt. (hip) Schauburg

Flamenco Spanien 1995, R: Carlos Saura, D: Joachuin Cortes, Paco De Lucia

„In einem riesigen Parkettsaal läßt Carlos Saura in zwanzig kommentarlosen „Kapiteln“ die verschiedenen Spielarten des Flamenco Revue passieren. Bulgerias, Soleares, Alegrias... Die fast enzyklopädische Dichte und die herausragenden Tänzer, Musiker und Sänger ermöglichen einen Einblick in die dichterische Vielfalt, die Virtuosität und die Fortentwicklung des Flamenco. Die Vitalität des Vorgeführten läßt sogar den Schickimicki-Ehrgeiz verzeihen, mit dem Saura edelspießiger Bühnenbeleuchtung frönt.“ (tip) Cinema, Passage (Del)

G

Der Garten des Sergiu Celibidache Deutschland 1998, R: S.I. Celibidache

„Zu Lebzeiten hat er sich geweigert, daß seine Musik auf Tonträger aufgezeichnet wird. Nun hat der Sohn des berühmten Dirigenten Sergiu Celibidache die Spätzeit seines Vaters dokumentiert. Der übertriebenen Nähe zum Interviewten begegnet der Sohnemann damit, daß er Celibidaches Lehrsätze über die Phänomenologie der Musik zum Leitfaden des Films macht. „Der Garten des Sergiu Celibidache“ ist jedoch nicht nur für Musikologen gedacht. Eine Reihe von Konzertmitschnitten , besonders das Mozart-Requiem und die 9. Symphonie von Anton Bruckner, zeigen den Meister in eindringlichen Szenen mit dem Taktstock.“ (taz) Cinema

H

Hamam – Das türkische Bad Italien/Türkei/Spanien 1997, R: Ferzan Ozpetek, D: Alessandro Gasman, Francesca D'Aloja

„Ein römischer Architekt erbt von seiner Tante einen Hamam, ein türkisches Bad, und fährt, um ihn zu verkaufen, nach Istanbul. Angezogen von Stimmung und Menschen, bleibt er und restauriert den Haman. Seine Frau reist ihm nach und findet ihren Mann verändert vor. Das Erstlingswerk eines italienisch-türkischen Regisseurs weist zwar formale Mängel auf und endet klischeehaft tragisch. Doch erzählt es atmosphärisch dicht von einer Selbstfindung dank Sinnlichkeit und kreativer Langsamkeit orientalischer Lebensweise.“ (Zoom) Cinema

Hope Floats USA 1998, R: Forrest Whitacker, D: Sandra Bullock, Gina Rowland / Originalfassung

Originaltitel und -fassung von „Eine zweite Chance“. Kurzverriß siehe dort. UFA-Palast

I

I Clowns Italien/Frankreich/Deutschland 1970, R: Federico Fellini / Originalfassung mit Untertiteln

"Unter dem Vorwand einer Reportage über die zum Aussterben verurteilten Zirkus-Clowns beschwört Fellini in- und außerhalb der Manege ein Panoptikum von grotesken, ausgefallenen und erschreckenden Figuren. Beeindruckende, sehr persöhnliche Auseinandersetzung des Autors mit der Situation des Künstlers.“ (Lexikon des internationalen Films) Kino 46

L

Das Leben ist schön Italien 1998, R: Roberto Benigni, D: Roberto Benigni, Nicoletta Braschi

„In seinem vieldiskutierten (und -prämierten) Film spielt Benigni einen lebenslustigen jüdischen Buchhändler, der nach einigen Jahren glücklichen Familienlebens mit seinem vierjährigen Sohn in ein deutsches Vernichtungslager gebracht wird, in das ihm seine junge Frau aus freien Stücken nachfolgt. Der Vater, der sein Kind im Lager verstecken kann, redet diesem ein, das Ganze sei nur ein großangelegtes Spiel, bei dem der Gewinner mit einem richtigen Panzer belohnt werde. Benignis melancholische Clownerien und das vorzügliche Spiel aller Beteiligten machen dieses ebenso bewegende wie burleske Lagermärchen zu einer hintergründigen Tragikomödie.“ (Neue Zürcher Zeitung) Atlantis, Gondel, Casablanca (Ol), Passage (Del)

Les Misérables USA 1998, R: Bille August, D: Liam Neeson, Geoffey Rush, Uma Thurman

„Les Misérables von Victor Hugo gehört zu jenen volkstümlichen Wälzern aus der guten alten Zeit, die immer mal wieder für eine Neuverfilmung gut sind, weil sie in Wahrheit längst niemand mehr liest. Diesmal, auf bekömmliche zwei Kinostunden gerafft, hat der Däne Bille August das große Rührstück von Schuld, Reue, Rache und Gerechtigkeit an tschechischen Drehorten in Szene gesetzt. Der Australier Geoffrey Rush und der Ire Liam Neeson spielen Jäger und Gejagten, die Amerikanerinnen Uma Thurman ud Claire Danes repräsentieren die leidensfähige Weiblichkeit, und so ist aus dem Ganzem ein Pudding geworden, wie er im Buche steht.“ (Der Spiegel) UT-Kinocenter

Liebe deine Nächste! Deutschland 1998, R: Detlev Buck, D: Lea Mornar, Moritz Bleibtreu, Heike Makatsch

„Buck is back. Der komische Coole aus dem Norden widmet sich nach den Knackis aus der „Männerpension“ nun der Heilsarmee. Genauer: Zwei Soldatinnen, die in die Großstadt versetzt werden, um dort unter den Obdachlosen gute Taten zu verrichten. Wer jedoch lakonischen Humor à la „Karniggels“ oder ein verschrobenes Figurenkabinett wie in „Wir können auch anders“ erwartet, der wird gnadenlos enttäuscht. Die Helden im jüngsten Buck sind allesamt Karikaturen aus der Klischeekiste: der miese Macho, die verschreckten Ossis, die willfährigen Frauen, die guten Penner, die bösen Yuppies. Mit derart holzschnittartigen Akteuren kann sich keine prickelnde Psychologie entwickeln. Alles bleibt platt, banal und langweilig. Das hat der Meister wohl auch selbst bemerkt, und so versucht er mit aufdringlichen Werbebildchen dem Zuschauer Goldstaub in die Augen zu streuen. Doch der videoclippige „Flashdance“-Stil verträgt sich nicht mit der altbackenen Oliver-Twist-Geschichte und verkommt zum manierierten MTV-Firlefanz der nervigen Art.“ (Bremer) Schauburg

M

Mädchen an die Macht! USA/Kanada 1998, R: Sarah Kernochan, D: Kirstin Dunst, Gavy Hoffmann

„Stellt Euch vor, wir müßten täglich unsere Haare waschen, nur um immer gut auszusehen!“ Diese entsetzliche Vorstellung könnte für die Schülerinnen von Miss Godards Internat für etwas betuchtere Töchter Wirklichkeit werden: Die Anstalt soll mit einem Jungs-Internat fusionieren. Nicht, daß die Mädels etwas gegen die Jungs hätten - aber sie ahnen, was kommt, wenn sie mit ihnen das Klassenzimmer teilen sollen. An der Schule erlebt das übliche Teeniekomödien-Personal - die Streberin, die Aufreißerin, die verfressene Dicke, die Sensible, die notorische Rebellin - alle gängigen Pubertätsabenteuer. Dabei verbreitet das gutgelaunte Ensemble aber soviel Spielfreude, daß der Durchschnitt um einiges überschritten wird.“ (TV-Spielfilm) UFA-Palast

Das Mädchen aus der Steichholzfabrik Finnland 1989, R: Aki Kaurismäki, D: Kati Outinen, Elina Salo

„Eine junge Arbeiterin in einer finnischen Steichholzfabrik träumt naiv von der großen Liebe und einem besseren Leben, wird aber brutal enttäuscht und rächt sich bitter an ihrer Umwelt. Konzentriert und formal konsequent entwickelter Film vor dem Hintergrund einer trostlos gezeichneten finnischen Realität, der mit lakonischer Filmsprache und bitterem Humor die Unmöglichkeit eines erfüllten Lebens angesichts der lieblosen Umwelt reflektiert. Der dritte Teil von Kaurismäkis sozialkritischer „proletarischer Trilogie“ fordert in der Auseinandersetzung mit einer deterministischen Weltsicht eine eigene ethische Haltung heraus.“ (Lexikon des internationalen Films) Kino 46

Mulan USA 1998, R: Barry Cook, Tony Bancroft

„Mulan ist der seit langem gelungenste Zeichentrickfilm von Disney: schwungvoll, witzig und streckenweise hochdramatisch, auch tragisch, aber nicht sentimental. Die Figuren sind weniger niedlich, mehr menschlich gezeichnet, und so wirken ihre Schicksale wirklich anrührend. Die Orientierung nach Osten hat das Produktionsteam sichtlich beflügelt. Die Chefzeichner mixten ihre moderne Comicstrip-Kunst mit klassischer chinesischer Malerei, was man besonders besonders an den Landschaftsentwürfen sehen kann, und bei den großen Schlachtszenen werden gar Erinnerungen an die Epen des jüngst verstorbenen Akira Kurosawa wach. Die Figuren und Kostüme sind asiatischen Vorbildern nachempfunden, Mulans Gesicht etwa entspricht mit zierlichen Zügen und Kirschmund dem chinesischen Schönheitsideal. Sie ist Disneys erste Heldin, die nicht aussieht wie Barbie.“ (Cinema) CinemaxX, Filmstudio, Ufa-Palast, UT-Kino, Wall-Kino (Ol)

My Name is Joe Großbritannien 1998, R: Ken Loach, D: Peter Mullan, Louise Goodall

Das Beste an dieser Fußballmannschaft sind noch die Namen auf den Trikots: Müller, Overath, Netzer – die einst so glorreiche deutsche Nationalmannschaft kann in der schottischen Bezirksliga kein Spiel gewinnen. Kein Wunder, denn statt in den deutschen 70ern spielt „My Name is Joe“ in den schottischen 90ern, und der Franz Beckenbauer dieses Films ist ein glatzköpfiger Dicker, der unbeholfen über das Spielfeld kullert. Einige Arbeitslose aus dem ärmsten Stadtteil von Glasgow spielen hier in der schlechtesten Fußballmannschaft Schottlands, und man muß schon ein feiner Kerl sein, wenn man solche eine Mannschaft trainiert. Wenn Joe Kavanagh in den ersten Minuten des Films nichts anderes macht, als sich mit seinen Jungs herumzuärgern, dann hat Ken Loach ihn uns so schnell und nachdrücklich ans Herz gelegt, daß wir ihm für den Rest des Films feste die Daumen drücken. Seine ewig verlierende Mannschaft zählt nämlich noch zu seinen geringsten Problemen. Joe ist Alkoholiker, seit mehreren Jahren trocken, aber immer droht der Rückfall – er lebt von der Sozialhilfe, und wenn er mal schwarz eine Wohnung tapeziert, erwischt ihn prompt ein spionierender Beamter. Außerdem sind seine junger Kumpel Liam und dessen Freundin tief in der Drogenszene versumpft, und zu allem Überfluß verliebt sich Joe auch noch in die Sozialarbeiterin Sarah. Diese Liebesgeschichte rückt schnell in den Mittelpunkt des Films. Zum Glück, kann man nur sagen, denn dem großen britischen Regisseur des sozialrealistischen Kinos gingen in seinen letzten beiden Filmen „Land and Freedom“ und „Carla's Song“ zu sehr die sozialromantischen Pferde durch. „ (hip) City

P

Paul IV Deutschland 1994, R: Cornelia Schwartz-Grünberg D: Karl Grünberg, Marie Klabunde

„Kinderfilm über die Freundschaft des kleinen Paul zu den Schröder-Kindern. Diese Rasselbande bringt die ganze Nachbarschaft gegen sich auf, und Paul gerät in einem Komplott gegen die Familie zwischen die Linien. (taz) Kino 46

Pauls Reise Deutschland 1998, R: René Heisig, D: Peter Lohmeyer, Niccolo Casagrande

„Ein Brummi rollt nach Madrid. Am Steuer sitzt Michael, frischgebackener Transport-Unternehmer, der mit dieser Kühlschrank-Lieferung seine Schulden begleichen will. Da niest es hinter ihm, und sein Sohn Paul kriecht aus dem Versteck. Der hat seine Leukämie überstanden, doch die Ehe der Eltern ist darüber zerbrochen. Und noch immer hat Michael sein Versprechen nicht eingelöst: mit Paul ans Meer zu fahren. Madrid liegt nicht am Meer. Aber wenigstens weit im Süden. Auf dem Weg dorthin hofft Paul seinen Vater zurückzuerobern. Was Michael nicht weiß: die Leukämie hat sich wieder bemerkbar gemacht, und Paul bereitet sich aufs Sterben vor. Klassisches Roadmovie? Kinderfilm? Regisseur René Heisig ist ein beachtliches Spielfilm-Debüt gelungen. Freilich stand ihm mit Peter Lohmeyer auch ein idealer Schauspieler zur Seite, der sentimentale Schnörkel nicht zuläßt. Höchstens ein bißchen Brummi-Romantik auf dem Parkplatz. Ansonsten verschanzt er sich hinter einer verkniffenen Miene.“ (epd-film) CinemaxX

Der Pferdeflüsterer USA 1998, R: Robert Redford, D: Robert Redford, Kristin Scott Thomas

Die Romanvorlage von Nicolas Evans ist bereits ein Bestseller, und einige enthusiasmierte Leserinnen aus meinem Bekanntenkreis warten schon seit Monaten sehnsüchtig auf den Film. Für solch ein Publikum kann der Film gar nicht lang genug sein, aber seltsamerweise stört man sich auch als unvorbelasteter Zuschauer nicht an seinen 159 Minuten. Redford hat ein genaues Gefühl dafür, wie er den Kitsch, der hier natürlich bei jedem Pferdeschnauben droht, im Zaume halten kann. Dies ist ein Taschentuchfilm – keine Frage –, aber der Herzschmerz wird so geschickt, klug und geschmackvoll präsentiert, daß man/frau sich der feuchten Augen nicht zu schämen braucht.“ (hip) UT-Kino

Der Prinz von Ägypten USA 1998, R: Brenda Chapman, Simon Wells

„Der kleine Moses landet im (computeranimierten) Weidekörbchen bei der Frau des Pharao, die ihn zusammen mit ihrem eigenen Sohn Ramses aufzieht. Entsetzt über die Massaker an den Hebräern, verläßt der erwachsene Moses Ägypten. Ramses wird Pharao, Moses kehrt zurück und fordert: „Let my people go!“ Der Film ist eindeutig nicht für Kinder gedacht; das soll auch so sein, heißt es bei dem Produktionsstudio Dreamworks. Doch wer seriöse Religionsauseinandersetzung sucht, geht kaum in einen Trickfilm, so ernsthaft der auch gemeint ist. Eindrucksvoll ist „The Prince of Egypt“, wenn er ausspielt, was Trickfilm ausmacht: Dinge erschaffen, die Realfilmern (außer James Cameron) nicht möglich sind: der Bau der Pyramiden, der Auszug der Hebräer, die Teilung des Roten Meeres. Doppelt schade, daß die Geschichte streckenweise hart am Soap-Niveau entlangschrammt.“ (TV-Spielfilm) UT-Kino, CinemaxX, Passage (Del)

Psycho USA 1998, R: Gus Van Sant, D: Vince Vaughn, Anne Heche, Julianne Moore

„Gus Van Sants vieldiskutierte Intention, nicht nur ein Remake von „Psycho“ zu machen, sondern den Film peinlich genau in jedem Detail zu kopieren, war ein gewagtes Gambit, das ein Flair von Pop-Art-Intellekt und Experiment in eine Produktion brachte, die sonst nur überflüssig und kommerziell gewirkt hätte. Und in gewisser Weise wird dieses Wagnis dem Film einen verdienten Platz in den Filmgeschichtsbüchern sichern: Es ist nicht nur die erste derartige Verdopplung außerhalb der experimentellen Filmkunst, es belegt auch die faszinierende Bemühung eines wichtigen Regisseurs, in die stilistische Haut eines anderen zu kriechen – was, wenn man mal darüber nachdenkt, ja Sir Alf auf eine unheimliche Weise angemessen ist. Der Grund, warum dieses Konzept nicht aufgeht, liegt darin, daß das Original auf erzählerischen Überraschungen basiert, die unmöglich heute noch überraschen können; auf Genre-Konventionen, die schon vor Jahrzehnten aus der Mode kamen, und auf Matertial, das 1960 als gewagt galt, aber seitdem längst seine Macht verloren hat, auch nur eine Stirn zu runzeln. Merkwürdigerweise wirkt Hitchcocks „Psycho“ auch heute noch frisch, kühn und seiner Zeit voraus, während Van Sants aktuelles Tribut die gleiche Geschichte wunderlich und altmodisch wirken läßt, als das Produkt einer vergangenen Ära.“ (Variety) UT-Kino

R

Rendezvous mit Joe Black USA 1998, R: Martin Best, D: Brad Pitt, Anthony Hopkins, Claire Forlani

„Ich hatte gemeine Gerüchte gehört, daß „Meet Joe Black“ fast drei Stunden lang sein würde. Die Gerüchte bewahrheiteten sich, aber seien wir gerecht: was zählt ist nicht, wie lang ein Film ist, sondern wie lang er einem vorkommt, und „Meet Joe Black“ wirkt überhaupt nicht wie ein drei Stunden-Film. Er scheint zehn Stunden zu dauern. Anthony Hopkins spielt einen Medienmagnaten mit Herz und Claire Forlani spielt seine Tochter, die mit einem Trottel in gutem Anzug verlobt ist. Sie hofft auf einen besseren Mann, und schon kommt er des Weges in der Form von Brad Bitt. Er hat das Pech, bald danach zu versterben; der Tod übernimmt dann Brads Körper und kommt, um des Magnaten Seele zu kassieren und die Tochter gleich noch mal zu gewinnen. Es gibt hier viele unbeantwortete Fragen (warum scheint etwa Pitts grimmiger Schnitter geistig zurückgeblieben zu sein?), von den Anfällen unfreiwilliger Komik ganz zu schweigen. Wie auch immer: zum Ende hin versinken alle heillos in Gefühlsduselei.“ (New Yorker) CinemaxX, UFA-Palast, Ziegelhofkino (Ol), Lindenhof (Wildeshausen)

S

Schwarze Katze, Weißer Kater Deutschland 1998, R: Emir Kusturica, D: Bajram Severdzan

„Kann man auch aus dem Komödienstadel großes Kino machen? Bei Emir Kusturicas neuem Film fehlt scheinbar jeder politische Anspruch, jede tiefschürfende Aussage. Einen Spaß wollte er seinen Zuschauern, und wohl auch sich machen, und so ist in „Schwarze Katze, Weißer Kater“ alles auf die Lacher und die pittoresken Details ausgerichtet. Strenge Kritiker werfen ihm dies natürlich auch ganz schnell vor, aber warum soll Kusturica nicht mal mit all seinem filmischen Können und der Liebe zu grotesken Figuren, die ihn schon immer auszeichnete, einen Zigeunerschwank inszenieren? Natürlich blitzen da in fast jedem Mund die goldenen Zähne auf, und die Musikanten schrammeln ständig auf ihren Fiedeln herum, aber Kusturica treibt die Stereotypen des Zigeunerlebens so virtous auf die Spitze, daß dabei ein ganz eigener, bei allen Streitereien wunderschöner und vitaler Mikrokosmos entsteht. Und wer außer Kustirica hätte solch ein zugleich saukomisches und symbolisches Bild finden können wie das Schwein, daß an der Biegung einer Straße langsam ein Auto frißt - natürlich einen Trabant.“ (hip) City, Casablanca (Ol)

Schweinchen Babe in der großen Stadt USA 1998, R: George Miller, D: Babe, allerhand Viehzeug, James Cromwell

„Die Fortsetzung übertrifft das Original. Babe, das außergewöhnlich höfliche Schwein mit dem süßen, beharrlichen Auftreten, versucht in der großen Stadt Geld für die daniederliegende Hoggett Farm aufzutreiben. Dort entdeckt Babe ein Land voller Gewalt und Traurigkeit. In einem Tierhotel trifft Babe eine Zirkus-Familie von Affen, zu dem ein cooles Schimpanzsen-Paar und ein mürrischer Orang Utan gehören. Die Tiere, die mit dunkler Ironie reden, strahlen die reale Depression von langjährigen Zirkus-Akrobaten aus. Es gibt auch einen jähzornigen Terrier, dessen arthritische Hinterbeine auf Rädern laufen und eine Horte von Bulldoggen, die es auf Schweineschinken abgesehen haben. Wie sein erfolgreicher Vorläufer hat der Film übersättigte Kinderbuchfarben, aber der emotionale Grundton dieses Films ist schmerzhaft witzig, mit heftigen, zynischen und raffinierten Tupfern, die Kinder wohl eher verwirren werden. Der Regisseur, George Miller, drehte meistens von unten, aus der Perspektive der kleinen Tiere, und mit der Intensität von Zeichentrickfilmen.“ (New Yorker) UFA-Palast, UT-Kinocenter, CinemaxX, Wall-Kino (Ol)

Seite an Seite USA 1998, R: Chris Columbus, D: Julia Roberts, Susan Saradon

„Wie Julia Roberts und Susan Sarandon als unabhängiges Yuppie-Mädel und abgehalfterte Frust-Glucke aufeinander losgehen, mag Fans des hochkarätigen Schlagabtauschs unter Stars animieren, doch über Standardsituationen trivialster Art kommt der Film nicht hinaus. Die Krebserkrankung der Älteren etabliert Melodramatik pur, und Ed Harris als Kerl zwischen den Fronten wird vollends zur Nebensache, wenn Siegerin und Verliererin des Damen-Duells händchenhaltend unterm Weihnachtsbaum sitzen.“ (tip) UFA-Palast, UT-Kinocenter, CinemaxX, Wall-Kino (Ol)

Staatsfeind Nr. 1 USA 1998, R: Tony Scott, D: Will Smith, Gene Hackman, Jon Voight

„Spannender Überwachungs-Paranoia-Thriller. Was du auch machst, sie sehen dich. Die Umkehrung der „Truman Show“. Da beobachten alle einen. Hier beobachten einige wenige alle. Egal, wohin du gehst, sie sind dabei. Per Satellit. Tony Scott montiert effektvoll verschiedene Aufnahmematerialien zusammen – Filmszenen, Überwachungsvideobänder, Fotos, Satellitenbilder – und stellt die Handlung abwechselnd aus der Sicht des Gejagten und der Jäger dar. Der Gejagte (Will Smith) ist ein sympathischer, selbstbewußter Yuppie, und seine Verfolger (Gene Hackman, Jon Voight) sind keine bösartigen Verbrechertypen, sondern intelligente Technokraten ohne große Skrupel, denen ihr Job sichtlich Spaß macht.“ (tip) CinemaxX

Star Trek – Der Aufstand USA 1998, R: Jonathan Frakes, D: Patrick Stewart, Jonathan Frakes, Brent Spiner

„Die nächste „Enterprise“-Generation deckt auf dem Planeten der ewigen Jugend eine Verschwörung von bösen Aliens und fehlgeleiteten Sternenflottenoffizieren auf und kann in der Entscheidungsschlacht die gute alte Föderationsordnung wiederherstellen. Regisseur Jonathan Frakes alias Commander Riker erweist sich als ambitionsloser Routinier, der viel Budenzauber entfaltet, ohne die Längen der Story überspielen zu können. Fürs allgemeine Publikum zu unspektakulär und für die Fangemeinde zu uninspiriert, bestätigt das 70-Millionen-Spektakel das alte Trekker-Vorurteil, daß auf „Enterprise“-Filmen mit ungerader Ziffer der Fluch des Scheiterns lastet.“ (tip) CinemaxX, Passage (Del), Wallkinos (Ol)

Die Stunde des Lichts Deutschland 1998, R: Stijn Coninx, D: Joachim Król, Francesca Vanthielen

„Eigentlich steht Joachim Król, diesem Meister der Schüchternheit, die Rolle eines verschrobenen norwegischen Trappers gut zu Gesicht. Leider hat Regisseur Stijn Coninx ihn zum Markenzeichen seiner selbst degradiert. Król spielt einen kauzigen Einsiedler, der von einer munteren, geschwätzigen Großstadtgöre heimgesucht wird und sich prompt verliebt. Ein Eisbär sorgt für zusätzliche Action, und der Soundtrack verkitscht das Naturschauspiel des Polarwinters zur Disney-Kulisse.“ (tip) Schauburg

T

The Times of Harvey Milk USA 1984, R: Robert Epstein, Richard Schmiechen / Originalfassung mit Untertiteln

„San Francisco 1977: der liberale Bürgermeister George Moscone setzt eine Reform des Wahlmodus durch. So wird der kämpferische Homosexuelle Harvey Milk gewählt - nicht obwohl, sondern gerade weil er schwul ist. Zwei Jahre später drücken Tausende mit Kerzen gewaltlos ihre Trauer über den Mord an Harvey Milk und George Moscone; und voller Wut entzünden Demonstranten Polizeiautos, nachdem bekannt wurde, mit wieviel richterlicher Milde der Mörder Milks und Moscones davongekommen ist. Der Film zeigt Harvey Milk als Mann voller Charme, Humor und Überzeugungskraft. In Interviews mit seinen Freunden oder MitarbeiterInnen ist heute noch zu spüren, was es bedeutet hat, sich so selbstbewußt zum Schwulsein zu bekennen. Die Schwulenhasser sind aggressiv, angstgebeutelt und verachtungsvoll, während die Schwulen selbst versuchen zu verstehen, woher die Angst vor Homosexuellen kommt.“ (Sybille Simon-Zülch) Kino 46

Die Truman Show USA 1998, R: Peter Weir, D: Jim Carrey, Jaura Linney, Ed Harris

Hatten Sie nicht auch schon manchmal das Gefühl, Sie wären in einem schlechten Film oder – noch schlimmer – in einer Fernsehserie? Genau dieser Verdacht beschleicht Truman Burbank eines Morgens, als direkt vor seine Füße ein Scheinwerfer aus dem strahlend blauen Himmelszelt fällt. Aber Trumans Himmel ist genaugenommen eine Kuppel: Ein riesiger künstlicher Dom, unter dem eine ganze Kleinstadt konstruiert wurde. Und all das nur für Truman Burbank, denn dieser ist, ohne es zu wissen, seit seiner Geburt der Star einer täglich rund um die Uhr gesendeten Fernsehserie. Alle Bewohner von Seahaven, all seine Freunde, Arbeitskollegen, seine Ehefrau sind Schauspieler. Nur er glaubt, ein authentisches Leben zu führen, und ahnt lange nichts von den 5.000 versteckten Minikameras, die ihn in jedem Winkel seiner kleinen Welt beobachten. Der Film erzählt davon, wie er langsam erkennt, daß er der einzige Untertan eines totalitären Systems ist, daß ein „1984“ nur für ihn geschaffen wurde. Die Besetzung der Hauptrolle durch den Zappelphilipp Hollywoods zeigt, welch ein gewiefter Regisseur Peter Weir ist. Alle Mankos von Jim Carrey – sein manisches Wesen, sein zu breites Lächeln, seine plakative Körpersprache – machen ihn zur Idealbesetzung von Truman, denn dieser wurde ja von einem Fernsehstudio sozialisiert. „Die Truman Show“ ist eine scharfsinnige und sehr komische Satire auf die Entwicklung der Medien, die Obsession eines Millionenpublikums mit Fernsehserien und ihre Gier nach immer mehr „reality“. (hip) CinemaxX, Ziegelhof-Kino (Ol)

V

Die verkaufte Braut Deutschland 1932, R: Max Ophüls, D: Karl Valentin, Liesl Karlstadt

„Der Film basiert zwar auf der gleichnamigen komischen Oper von Smetana, aber die Handlung wurde ins Zirkusmilieu verlegt und respektlos erotisiert. Die Zuschauer erwartet nach Meinung des Kritikers Hans C. Blumenberg: „unbändige Vitalität und kauzige Valentinaden, eine hinreißende Mischung aus Bauerntheater, ironisch-gebrochenem Natur-Lyrismus und Zirkusatmosphäre.“ (Kommunalkino) Kino 46

Verrückt nach Mary USA 1998, R: Peter & Bob Farrelly, D: Cameron Diaz, Ben Stiller, Matt Dillon

„Geschmacklosigkeiten unter der Gürtellinie – und doch ist irgendwas dran an dieser Komödie: In Reißverschlüsse eingeklemmte Geschlechtsteile, Sperma als Haargel, in Ganzkörpergips verpackte Schoßhunde – ziemlich krank, oft daneben und zum Schreien komisch. Und wer wäre nicht verrückt nach „Mary“ alias Cameron Diaz.“ (TV-Spielfilm) CinemaxX, Filmstudio

W

Wachgeküßt USA 1998, R: Richard LaGravenese, D: Holly Hunter, Danny De Vito

„Genaugenommen erzählt „Wachgeküßt“ eine Allerweltsgeschichte mit Seifenopernlogik. Judith, eine Arzt-Ehefrau um die 40, verliert ihren Angetrauten an, logisch: eine Jüngere. Die Verlassene schwankt gefühlsmäßig zwischen, richtig: Endlich befreit und zu Tode betrübt. Als Retter tritt auf, nein, nicht der Flurnachbar, sondern der Fahrstuhlführer ihres echt schicken New Yorker Fifth-Avenue-Appartement-Hauses. Das recht optimistische Ende -Selbstverwirklichung im Traumberuf - hält immerhin eine kleine Überraschung bereit. Allein die Schauspieler machen diesen exemplarischen Psychotrip ins Leben zu mehr als einer Konfektionsromanze: Holly Hunters Gefährten auf dem Weg zur befreiten Single-Existenz sind Danny De Vito, der als alternder Liftboy seiner Angebetetn aber nie so nahe kommt, wie er sich erträumt,- und die schwarze Rapperin und Soulkünstlerin Queen Latifah, die sich in der Rolle einer selbstbewußten Freundin mitreißend selbst spielt und singt.“ (Der Spiegel) Cinemaxx, UT-Kinocenter

Wenn der Postmann gar nicht klingelt Norwegen 1996, R: Pal Sletaune, D: Robert Skaerstad, Andrine Saether

„Roy ist der Prototyp eines norwegischen Postbeamten. Das Briefgeheimis existiert für ihn nicht, und wenn er keine Lust zum Lesen hat, wirft er die postalische Last einfach unter eine Eisenbahnbrücke. Erst eine Frau reißt ihn aus dem täglichen Einerlei und in neue Indiskretionen. Roy dringt in das Leben der schwerhörigen Line ein. Pal Sletaune inszeniert die Milieustudie in den fiesensten Vierteln Oslos. Und so heruntergekommen wie die Häuser sind auch die Protagonisten. Aber der Film ist nicht nur eklig, sondern auch ziemlich lustig. (tip) Kino 46