Verfassung unter Ausschluß der Öffentlichkeit

■ Nigerias Militärjunta hat offenbar für die Zeit nach ihrer Machtübergabe eine neue Verfassung beschlossen, die den Wünschen der meisten Politiker nach einer Föderalisierung zuwiderläuft

Berlin (taz) – Die regierende Militärjunta in Nigeria hat sich offenbar auf eine neue Verfassung für das Land geeinigt, aber hält sie noch unter Verschluß. Presseberichten von gestern zufolge gab die Nummer zwei der Junta, Generalstabschef Vizeadmiral Mike Akhigbe, in der Hauptstadt Abuja am Montag abend bekannt, Nigeria bekomme nach dem für Mai vorgesehenen Ende der Militärherrschaft wieder die letzte Verfassung aus dem Jahre 1979. Sie sei allerdings noch „begradigt“ worden, sagte Akhigbe. Veröffentlicht werde sie später.

Wenige Wochen vor den Wahlen vom 20. und 27. Februar, bei denen die Amtsträger des neuen demokratischen Nigeria bestimmt werden sollen, wissen Nigerias Politiker also immer noch nicht, wie die Ämter eigentlich beschaffen sein werden, für die sie kandidieren sollen. Doch mit der Stellungnahme der Junta ist einiges klarer geworden. Denn die Verfassung von 1979 bescherte Nigeria ein Präsidialregime mit einem starken Staatsoberhaupt und einer starken Zentralregierung. Sie enthält gegen Anfang den Satz: „Der Staat soll ein Gefühl der Zugehörigkeit und Mitarbeit unter den verschiedenen Bestandteilen des Landes fördern, so daß Loyalität gegenüber der Nation über Teilloyalitäten steht.“ Und die wichtigsten Teile der Staatsgeschäfte bleiben Sache der Zentralregierung.

Die Verfassung von 1979 war das Endprodukt der letzten Demokratisierung Nigerias unter den Militärherrschern der 70er Jahre, die vor allem vom letzten unter ihnen, General Olusegun Obasanjo, betrieben wurde. Sie war das Dokument, gemäß dem Obasanjo 1979 die Macht an gewählte Nachfolger übergab – ein Ereignis, das Nigeria seitdem nicht wieder erlebt hat und das der heute regierende Militärherrscher Abdulsalam Abubakar sich offenbar zum Vorbild nimmt.

Doch seit dem Militärputsch von 1983, bei dem die Verfassung von 1979 aufgehoben wurde, hat sich Nigeria verändert. Die lange Herrschaft einer schmalen Militärelite aus dem muslimischen Norden hat große Teile der Bevölkerung des Südens von Nigeria – von den Yorubas um Lagos bis zu den Bewohnern der Ölfelder im Niger- Flußdelta – gegen den Fortbestand Nigerias als solches aufgebracht. Die meisten Politiker, egal aus welchem Landesteil, befürworten eine Föderalisierung und die Bildung weitgehend autonomer Regionen. Auch müßten von dem Öleinnahmen viel mehr als die 1979 festgelegten 3 Prozent bei den Bewohnern der Ölgebiete verbleiben.

In der Diskussion war zuletzt auch die Rotation hoher Staatsämter zwischen verschiedenen Landesteilen. Sogar in der Herrschaftszeit des verstorbenen Militärherrschers Sani Abacha 1993–98 war bei Debatten über eine neue Verfassung überlegt worden, drei Vizepräsidenten aus unterschiedlichen Landesteilen einzuführen.

Diese Überlegung, so Juntamitglied Akhigbe jetzt, sei „gestorben“. Die gewünschten „Veränderungen“ der 1979er Verfassung beschrieb er so, „daß die Macht zwischen dem Zentrum, den Bundesstaaten und den Kommunalverwaltungen geteilt wird“. Genaueres sagte er nicht, außer daß die Bewohner der Ölgebiete in Zukunft 13 statt 3 Prozent der Öleinnahmen erhalten sollten – ein bereits mehrfach verkündeter Schritt.

Es wäre paradox, wenn die neue Verfassung hinter den Verfassungsentwurf der Abacha-Zeit zurückfallen würde. Dieser war im Jahre 1995 fertiggestellt worden und verschwand daraufhin ungelesen in den Schubladen. Erst Abachas Nachfolger Abubakar nahm im Hinblick auf die Demokratisierung Nigerias die Debatte wieder auf. Eine staatliche Arbeitsgruppe schlug Ende 1998 „die Annahme der 1979er Verfassung mit relevanten Änderungen aus dem 1995er Entwurf“ vor. Aber der Entwurf von 1995 ist bis heute nicht öffentlich gemacht worden. Nun gibt es eine neue Verfassung, die auch nicht öffentlich vorliegt und von der zu erwarten ist, daß sie nach einer Machtübergabe an gewählte Politiker weiter verändert werden muß. Dominic Johnson