Oklahoma kennt keine Gnade

■ Heute soll in den USA Sean Sellers hingerichtet werden. Als er seine Mutter und seinen Stiefvater erschoß, war er 16 Jahre alt

Washington (taz) – Am Wochenende war die Nachricht in allen Zeitungen: Der Papst hatte durch eine außerordentliche Intervention die sichere Hinrichtung eines dreifachen Mörders in den USA verhindert. Der Gouverneur des Bundesstaates Missouri, Mel Carnahan, in dessen größter Stadt St. Louis der Papst letzte Woche vor 100.000 begeisterten Jugendlichen die Abschaffung der Todesstrafe forderte, hatte Darrell Mease begnadigt, der ein Ehepaar und dessen behindertes Kind erschossen hatte. Seine Hinrichtung war ursprünglich für die Zeit des Papstbesuchs angesetzt gewesen und vom Obersten Gericht des Bundesstaats ohne Angabe von Gründen auf den 15. Februar verschoben worden.

Bei einem ökumenischen Gottesdienst in St. Louis war der Papst vom Altar gestiegen, um die Gläubigen in den ersten Reihen – darunter Vizepräsident All Gore – zu begrüßen. „Dann blieb er bei mir stehen“, berichtete Gouverneur Carnahan später, „und bat mich um Gnade für Mease.“

Die Entscheidung des Gouverneurs steht einzigartig da in der langen Geschichte erfolgloser internationaler und päpstlicher Interventionen zu Gunsten von zum Tode Verurteilten. Mease selbst nahm die Nachricht wie ein Wunder auf. Doch die Kraft päpstlicher Fürsprache reichte über die Landesgrenze nicht hinaus. Am gleichen Tag nämlich, da in Missouri das Wunder geschah, lehnte der Gnadenausschuß des angrenzenden Bundesstaats Oklahoma die Begnadigung Sean Sellers ab – was kaum Schlagzeilen machte. Sean Sellars hatte 1986 Mutter und Stiefvater erschossen. Zur Tatzeit war er 16 Jahre alt. „Diese Entscheidung setzt allen 16jährigen ein deutliches Zeichen“, ließ sich ein Mitglied des Gnadenausschusses, vor dem auch die Verwandten des Delinquenten für dessen Tod plädiert hatten, vernehmen.

„Das einzige Zeichen, das hier 16jährigen und den Menschen in ganz Amerika gesetzt wird“, kommentierte hingegen amnesty international, „ist, daß Töten die angemessene Antwort auf Töten ist. Die Todesstrafe für Minderjährige ist international geächtet, nur die USA dünken sich über internationales Recht erhaben.“

1998 wurden in den Vereinigten Staaten drei Menschen hingerichtet, die zur Tatzeit unter 18 waren. Die unausgesetzte Kritik des Papstes an der in den meisten US- Bundesstaaten geltenden Todesstrafe versucht wenigstens die Katholiken des Landes hinter der Meinung der Kirche zu sammeln. Nicht nur Abtreibung und Euthanasie widersprechen ihrer Lehre, sondern auch die Todesstrafe.

Die Katholiken in den USA tun sich schwer damit, dieser Lehrmeinung zu folgen. Unter ihnen beträgt wie in der Gesamtbevölkerung das Verhältnis von Befürwortern zu Gegnern der Todesstrafe drei zu eins. Frank Keating etwa, der Gouverneur von Oklahoma und selbst Katholik, begrüßte die ablehnende Entscheidung seines Gnadenausschusses.

Als entsprechend mutig darf man die Entscheidung des Gouverneurs von Missouri ansehen. Im Jahr 2000 will er dem erzkonservativen Senator John Ashcroft den Sitz im Senat streitig machen. Peter Tautfest