Mehr Wachstum, weniger Energie

■ DIW: Der Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung geht zurück. Greenpeace: „Grüner“ Strom wird aber immer noch behindert

Berlin (taz) – Die privaten Haushalte, Verkehr und Industrie haben im vergangenen Jahr weniger Energie verbraucht. Der Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung sinkt, und Windkraft ist zwar im Kommen – aber das wegen „falscher Rahmenbedingungen“ viel zu langsam. Diese drei Tendenzen stellen zwei Studien fest, die am Dienstag veröffentlicht wurden. Der jüngste Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin begutachtet die Entwicklung in der gesamten Energiewirtschaft, während eine gemeinsame Untersuchung von Greenpeace, dem Fachinformationsdienst Solarthemen und dem Unternehmen S.A.G. Solarstrom AG sich dem Stand erneuerbarer Energien widmet.

Trotz eines Wirtschaftswachstums von 2,8 Prozent sank der Verbrauch an Primärenergie 1998 um 1,3 Prozent auf knapp 489 Millionen Tonnen Steinkohleeinheiten, so das DIW. Der Rückgang sei allerdings auch auf die im Jahresvergleich um rund drei Prozent zu hohen Durchschnittstemperaturen zurückzuführen. Bereinigt ergebe sich lediglich ein Minus von 0,7 Prozent, für das neben dem schwächeren Wachstum in den energieintensiven Branchen wie Stahl und Grundstoffchemie auch Sparmaßnahmen von Industrie und vor allem der privaten Verbraucher verantwortlich seien.

Insgesamt 552 Milliarden Kilowattstunden, knapp ein halbes Prozent mehr als 1997, erzeugte dagegen die Elektrizitätswirtschaft 1998. Auch der Bruttostromverbrauch legte um 0,8 Prozent zu. Allerdings zeigt sich auch hier längst die Abkopplung vom Wirtschaftswachstum. Entsprechend sank die gesamtwirtschaftliche Stromintensität, die den Verbrauch in Relation zur Zunahme des Bruttoinlandsprodukts mißt.

Wichtigster Energieträger ist immer noch die Kernkraft, deren Anteil aber um fünf Prozent abnahm und sich jetzt wieder bei 29 Prozent, dem Niveau von 1996, bewegt. Auf Platz zwei und drei folgen Stein- und Braunkohle mit 27 und 25 Prozent. Erneuerbare Energien, unter denen die Windkraft am meisten zulegte, machen lediglich etwas mehr als vier Prozent aus.

Den Hintergrund hierfür liefert die zweite Studie, die zeigt, daß der Großteil der Kraftwerksleistung aus erneuerbaren Energien immer noch privaten Betreibern zuzuschreiben ist. Nicht einmal fünf Prozent kämen von den großen Energieversorgungsunternehmen. Problematisch, so die Autoren, sei vor allem der Zugang zum Netz, das de facto immer noch Monopol der großen Stromkonzerne sei. „Die Politik muß für Verhältnisse sorgen, die den Namen liberalisierter Strommarkt verdienen.“ bw