Faust mitten unter Klingonen

■ Star Trek on Tour: Im Postamt 5 landete direkt aus den USA eine entzückende, überirdische Ausstellung, die in Europa noch Millionen Besucher anlocken wird

Heute schon success gehabt! Gerade erfolgreich einen Batzen Antimaterie produziert. Und hat auch nur 15 Mark gekostet. 15 Mark (zehn für Kids) ist der Eintrittspreis für eine Ausstellung mit dem merkwürdigen, doch merkuntauglichen Namen „Star Trek. Federation Science. European Tour“; eine Ausstellung, die Science-Fiction-Fantum verbindet mit dem Anspruch zu bilden. Wenn wir Glück/Pech haben, ist sie ein Beispiel für das, was manche „Edutainment“ nennen und aus Amiland in die Alte Welt herüberschwappt.

Konzipiert wurde die Ausstellung nämlich vom – laut Presseinfo – „berühmten“ Oregon Museum of Science and Industry und vom Star Trek-Produzenten Paramount. Gestrandet ist die Ausstellung in Bremen und tourt von da aus weiter nach Bern, Zürich, Paris, London. Und wenn sie auch in der zivilisierten Welt Erfolg haben sollte, sprich mindestens 130.000 Star-Trek-Afficionados/as pro Station in drei Monaten anlockt, geht es wohl noch weiter. „Es läuft gut“, meint Veranstalter Born & Born – und meint damit 10.000 BesucherInnen (auch aus München oder Vorderkrummbach) in den ersten zwei Wochen: Das bedeutet aber hochgerechnet nur 60.000 interessierte Menschen. Aber vielleicht spülen Werbetrailer, die ab dem 8. Februar beim Kooperationspartner Sat 1 nach den zwei Trek-Serien laufen, die Massen herbei.

A propos Erfolg, wie gesagt: Heute schon Erfolg gehabt! Nämlich an einer von 20 Playstations. Ein kleiner Monitor ermuntert die BesucherIn höflich dazu, Antimaterie zu produzieren. Zu diesem erstrebenswerten Zwecke kann sie zwei entzückende fliegengroße, virtuelle Kügelchen mit einer Geschwindigkeit von 6.000, 108.000 oder 281.600 km/sec aufeinanderjagen.

Ringt sich die LaienforscherIn zu der Geschwindigkeit 281.600 km/sec durch, entstehen aus zwei grünen Proton-Kugeln drei grüne Proton-Kugeln und eine rote Antimaterie-Kugel. Ein Tatbestand, der eine samtene Frauenstimme aus dem Off zu dem Satzgebilde motiviert: „Success. You have made Antimatter.“ Der bildnerische Mehrwert: Wer seine Ehefrau wegbeamen will, weiß nun, daß es dabei hilfreich ist, ihre grünen Kügelchen auf 281.600 km/h zu beschleunigen. SkeptikerInnen könnten einwenden, daß sich diese Botschaft auch ohne High-Tech mit einer einfachen Kügelchen-Grafik vermitteln ließe; mit gleicher Sinnlichkeit. Und so wird in dieser Ausstellung vor allem ein neues, wichtiges Grundgesetz des Infotainment-Zeitalters sichtbar: Möglichst wenig Inhalte werden mit möglichst viel bombastischem Trara vermittelt.

Eine Infrarotkamera etwa verwandelt die BesucherIn in ein Fleckenmonster. Auf einem Bildschirm werden ihre verschiedenen Wärmefelder durch unterschiedliche Farben sichtbar gemacht. „Dein Auftrag: Entdecke die Temperaturzonen Deines Körpers.“ Dabei kommt man unweigerlich zur Erkenntnis, daß der Knopf an der Hose in aller Regel kälter ist als die Glibbermasse im Kopf. Außerdem lernt man zwischen Nasen- und Mundmenschen zu unterscheiden. Bei Menschen, die viel sprechen, ist nämlich die Mundpartie wärmer als die Nase, was aber durch engagiertes Rubbeln an der Nase jederzeit wettgemacht werden kann. Stößt also ein Raumgleiter mitten im All auf einen Menschen, kann er auch aus großer Entfernung durch Infrarotkamera erkennen, ob dieser geschwätzig ist oder doch eher nasig.

Bei einer anderen „Bildungseinrichtung“ der Ausstellung muß der Besucher raten, welches Sternbild an ihm gerade vorbeisegelt. Dazu gibt es folgenden lyrischen Begleittext: „Unsere Sonne ist ein Stern. Nachts kannst Du viele andere, noch viel weiter entfernte Sterne sehen. Die Sterne der Sternbilder mögen alle in der gleichen Entfernung erscheinen. Doch sind die Dinge nicht immer so wie sie scheinen.“ Während der sechsjährigen Tour dieser Ausstellung durch Nordamerika haben immerhin über zehn Millionen menschliche Wesen erfahren, daß die Dinge nicht immer so sind, wie sie scheinen. Fünf Millionen Dollar hat die Entwicklung der Ausstellung gekostet, eine Million Mark die Renovierung und Übersetzung für das gesamte europäische Publikum.

Die Rostocker „Nordstar“, Deutschlands größter Veranstalter für kommerzielle Ausstellungen und verantwortlich für die Erfolgstour „4 Millionen Jahre Mensch“, hatte den Mut, die Ausstellung zusammen mit Born & Born für Bremen zu buchen. Da gibt es jetzt wohl einige schlaflose Nächte: Top oder Flop?

Die lokale Presse rückte so zahlreich an wie sonst nie, demonstriert aber Skepsis. Doch ein eingefleischter Fachmann prog-nostiziert der Ausstellung einen Superriesenmegaerfolg. Ralf ist Mitglied des „United Federation of Starfleet offices“, also des Bremer Star Trek-Clubs. Jeden Mittwoch trifft man sich zum Rollenspiel „by paper“. Einer sagt: „Ich lande den Raumgleiter.“ Eine andere sagt: „Ich öffne die Luke.“ Und nach einer Stunde hat man eine Geschichte beisammen. Demnächst fährt der 45köpfige Verein mit dem Shuttlebus nach Dänemark und spielt sogar mit vollem Körpereinsatz. Einmal im Monat quatscht Ralf über den offenen Kanal über die News der Star Trek-Welt.

Ralf ist sehr, sehr nett. Und er kennt die Unterschiede: „Star Wars ist pessimistisch bezüglich der menschlichen Zukunft. Star Trek dagegen glaubt an eine Gesellschaft, die Konflikte friedlich löst.“ Deshalb ist der wahre Star Trek-Fan bei den Kinofilmen weniger an popeliger Action interessiert, sondern an der Philosophie – was ignorante FilmkritikerInnen nicht nachvollziehen können und regelmäßig zu Fehleinschätzungen führt – zum Beispiel ungerechtfertigten Verrissen des letzten Films.

Der Klamottenverkäufer neben dem Ausstellungscafé ist glücklich, daß überhaupt ein neuer Film herauskam. In Jahren ohne Film bricht nämlich sein Verkauf an Kommanderjacken weg. Knapp 10.000 in der Türkei produzierte schwarze Wamse mit bunter Schulterpartie bringt der für den deutschsprachigen Raum zuständige Lizenznehmer unter das Volk. „All rights by Paramount Pictures“ steht da, wo sonst die erforderliche Waschtechnik notiert ist.

Vor vier Wochen war der Uniformierer deutscher Wohnzimmer schon einmal in Bremen. Da kleidete er so einige der 800 Besucher-Innen der „Star-Trek Convention Galileo 7“ ein. Bis zu 300 Mark Tagungsgebühr löhnten damals die Gäste aus Köln, Leipzig etc., um sich eigenhändig Autogramme von den alten, gagenbedürftigen Star-Trek-Recken Checkov und Scotty abzuholen.

In der aktuellen Ausstellung erfährt nun der Star Trekker, wie das mit dem Beamen geht. „Willkommen bei Mandala TMSystem.“ Ein Videobild zeigt die BesucherIn. „Huch, sind meine Beine kurz“, entsetzt sich eine Frau; dann verschwindet sie. Nicht wirklich, aber aus dem Videobild, und taucht wieder auf, einmontiert in eine Fantasieumgebung. In der darf sie gegen bunte Bälle boxen. Ein kürzeres Wort für Gegenbuntebälleboxen ist Interaktivität. Mit dieser Form der Hyperaktivität lernt der Fan spielerisch, quasi subkutan, schöne Dinge: „Achtung Kadetten der Sternenflotte. Gute Beziehungen zu Außerirdischen sind lebenswichtig.“ Und: „Schaffe die Welt des 24. Jahrhunderts.“

In Vitrinen schlummern Laser – „nein, Phaiser, es sind Phaiser“, ruft Ralf – und die Originalklamotten, die auf Mr. Spocks und anderer Klingonen Häute klatschten. „Ein Weltkulturerbe“, grinst einer vom Aufbauteam, „mindestens genauso wichtig wie Goethes Faust.“

Barbara Kern

Die Ausstellung „Star Trek Federation Science“ ist bis zum 11. April täglich von 10 bis 18 Uhr im Postamt 5 zu bestaunen. Wer Lust auf Rollenspiele hat, kann anrufen bei Michael Böhnke vom Star Trek Club, Tel.: 37 42 39. Star Trek Radio gibt es zu hören am 20. Februar und 17. April von 17 bis 18 Uhr, MH 92,5