Meissi – Herminator 3:2

Super-G-Weltmeisterin Meissnitzer und ihre ÖSV-Kolleginnen erklären Österreichs Männerteam den Medaillenkrieg  ■ Aus Vail Ralf Mittmann

Alexandra Meissnitzer vor Renate Götschl und Michaela Dorfmeister, Gold, Silber und Bronze für Österreich im Super G der Ski-WM in Vail. Daß die Konkurrenz stöhnte angesichts der rot-weiß-roten Dominanz, kümmert die erfolgreichen drei aus dem Frauenteam Austrias nicht. Was sie umtrieb in den Stunden des Triumphes, läßt sich so ausdrücken: Es steht 3:2.

Österreichs Skifahrerinnen betreiben in dieser Saison einen doppelten Wettstreit. Physisch gegen ihre Konkurrentinnen, psychisch gegen das eigene Männerteam. Normalerweise möge sie die Hysterie um Edelmetall nicht, sagte Weltmeisterin Alexandra Meissnitzer als Sprecherin des Medaillentrios, „aber heute freue ich mich schon, daß wir mehr Medaillen gewonnen haben als die Männer gestern“. Für die hatten in derselben Disziplin Hermann Maier („Herminator“) und Hans Knauss lediglich Gold und Bronze geholt.

Der Ernst dieser Anmerkung erschloß sich nicht allen im (kräftig männlich dominierten) Pressetroß. Vor allem österreichische Reporter hätten vielleicht nachdenken statt lachen sollen. An ihre Adresse war Meissnitzers Satz nämlich ebenso gerichtet wie an jene des Skiausrüsters Atomic, dessen Führung vor dieser Saison beschlossen hatte, zugunsten der Herren der Schöpfung das Engagement im Bereich „Ski alpin weiblich“ stark zu kürzen. Auch die Zeitungen in der Alpenrepublik bevorzugen ganz klar den Herminator der Nation und dessen Kollegen. „Etwa 3:1“ zugunsten der Männer sei das Verhältnis der gedruckten Skistories in Österreichs Gazetten, gab in Vail ein steirischer Zeitungsschreiber mit ernster Miene Auskunft.

Das soll sich ändern. Karl Frehsner, inzwischen 59 und immer noch als „Eisen-Karl“ gehandelt, hat diese Saison die Position des Frauen-Cheftrainers im Österreichischen Skiverband (ÖSV) übernommen mit der Zielsetzung, „bis zur WM 2001 in St. Anton ein österreichisches Frauenteam aufzubauen, das ähnlich dominiert wie jetzt das der Männer“. Dazu hat Frehsner den Betreuerstab umgestellt. Neuer Trainer für die Sprintdisziplinen ist der Niederösterreicher Herbert Mandl, die Technikerinnen werden vom Vorarlberger Berthold Mathis gecoacht, der den früheren DSV- Trainer Sepp Hanser abgelöst hat. Mit diesen Männern seiner Wahl verbindet Frehsner, wie er glaubt, „eine gemeinsame Philosophie, und das ist immer der Anfang“.

Der Anfang? „Nicht leicht war's am Anfang mit ihm“, sagt Alexandra Meissnitzer auf die Frage nach Freshners Anteil am überragenden Erfolg der ÖSV-Fahrerinnen, „aber er hat wohl recht.“ Der gebürtige Steirer hat „absolute Integration ins Team“ gefordert. Daß Meissnitzer dennoch eine Führungsrolle einnimmt, stört den alten Skihasen aber keineswegs. „So etwas entwickelt sich mit Erfolgen automatisch“, erklärt Frehsner, wichtig sei dann nur, daß die Beste auch für die anderen ansprechbar sei. Wie eben die Meissnitzer, „sie leistet große Vorbildarbeit“, sagt Freshner. Und das nicht nur auf den Völkl-Brettern, sondern auch abseits der Piste. Da teilt die „Meissi“ verbale Schwinger aus gegen einseitige Reporter, da spricht sie Trainern die Qualifikation ab, die – wie geschehen – sich öffentlich mokieren über die besondere Schwierigkeit, Frauen zu führen, weil da Eifersüchteleien, Störrischkeiten und dann auch noch geschlechtsspezifische Unpäßlichkeiten zusammenkämen. Karl Frehsner unterstützt seine Nummer eins. „Frauen sind sehr professionell“, sagt der Eisen-Karl, „die Schmerzgrenze ist bei ihnen fast höher als bei Männern.“ Lediglich sensibler seien die Dirndl'n, „sie brauchen mehr Vertrauen in ihre Leistungsfähigkeit“.

Auch der überragenden Skifahrerin dieses Winters geht es da nicht anders. Am Tag vor dem Super G fühlte sich Alexandra Meissnitzer (25), Polizeischülerin aus der Nähe von Salzburg, von Minute zu Minute schlechter, der Druck, Favoritin zu sein, schien sie aufzufressen. Doch zu helfen wußte sie sich auch: ein langes Gespräch mit ihrer derzeit verletzten amerikanischen Freundin Picabo Street baute die „Meissi“ wieder auf. „Streetworkerin“ Picabos Rat: „Cool bleiben, Spaß haben, dann bist du unschlagbar.“

Als die Meissnitzer nach ihrem Sieg zur Pressekonferenz geführt wird, entwischt sie plötzlich ihrem Begleitschutz. Lachend fällt sie Picabo Street in die Arme und sagt „thank you“. Dann geht sie weiter – und kurz darauf weiß jeder, was Sache ist: Es steht 3:2.