Die Kontinuität des Amtsvorgängers gewahrt –betr.: „Bilanz null, Erwartung null“, taz vom 29.1.99)

Ob Außenminister Joschka Fischer, wie Rudolf Walther meint, tatsächlich zu „ermordeten iranischen Intellektuellen“ oder „chinesischen Oppositionellen... (keine) politisch-diplomatische Intervention einfiel“, entzieht sich meiner Kenntnis. Der offenbar von Walther intendierte Eindruck, Fischer sei in seinem neuen Amte für Völker- und Menschenrechtsverletzungen nicht mehr empfänglich, scheint mir allerdings unzutreffend zu sein. Am Vorabend von Fischers erster offizieller USA-Reise im neuen Amte habe ich den Minister auf Anraten von Staatsminister Volmer per Fax gebeten, sich in Washington für den zum Tode verurteilten Journalisten Mumia Abu-Jamal einzusetzen. Fischer hat dies auch getan und einen Tag nach seiner Rückkehr aus den USA dem Gouverneur von Pennsylvania, Tom Ridge, einen Brief geschrieben, in welchem er dem Gouverneur sowohl die ablehnende Haltung der Bundesregierung zur Todesstrafe dargelegt als auch ihn gebeten hat, die Hinrichtungsorder nicht zu unterschreiben.

Mir scheint dies nicht darauf hinzudeuten, daß Joschka Fischer den grünen Überzeugungskanon in puncto Menschenrechte verletzt habe. Was in diesem Falle auch gar nicht notwendig gewesen wäre – hier hat der Minister, durchaus in erfreulichem Sinne, die Kontinuität des Amtes gewahrt. Auch sein Amtsvorgänger Kinkel war bereits mit ähnlichen Schreiben gegen die beabsichtigte Hinrichtung Mumias bei Gouverneur Ridge vorstellig geworden. Bis heute sind die Interventionen aus Bonn beim Hardliner Ridge jedoch ungehört verhallt. [...] Paul Nellen, Hamburg