Dompteure am Set

Die Hamburger Psychologin Anne Grobe hat eine Fortbildung im Konfliktmanagement für RegisseurInnen entwickelt  ■ Von Heike Dierbach

Die Medien reißen sich um sie, ihre Namen sind weltbekannt, sie sonnen sich im Ruhm. Doch auch RegisseurInnen fühlen sich manchmal nach einem Drehtag „leer“ oder haben „Muffe, ob der Star mich überhaupt ernstnehmen wird“. Darüber gesprochen wird nur ungern. Der Hamburger Psychologin Anne Grobe ist es dennoch gelungen, für eine bundesweit einmalige Forschungsarbeit siebzehn überwiegend deutsche RegisseurInnen – unter ihnen auch namhafte – zu befragen, welche Konflikte ihnen am Set zu schaffen machen und wie sie sie lösen.

Die Anforderungen sind enorm: Ein Regisseur muß ein Team von 50, 60 Leuten leiten, oft 14, 16 Stunden am Tag. Und alle haben ihre Macken: „Die Schauspielerin hat Durchfall, ihr Freund hat sie verlassen, sie ist tränenüberströmt. Und ihr Partner wird ungeduldig, weil sie alle Aufmerksamkeit kriegt“, erinnert sich ein Regisseur. Oder ein Kameramann möchte eigentlich selber Regie führen, und die Maskenbildnerin ist beleidigt, weil der Regisseur vergessen hat, sie morgens zu grüßen. Über all dem schwebt ein massiver Zeitdruck: Jeder Drehtag kostet Zehntausende. „Die Schilderungen waren erstaunlich offen“, berichtet Grobe, „viele sagten mir, daß sie sich noch nie so über das Thema unterhalten hätten.“

Vor Ort bleibt schlicht keine Zeit zum Hinterfragen, „das hält auf und raubt nur Kraft“, meint ein Regisseur. Konflikte, so die Psychologin, lassen sich zwar nicht vermeiden. Aber es müsse auch nicht immer eitel Sonnenschein herrschen. Zugleich widerspricht sie dem Klischee, daß eine besonders furchtbare Stimmung am Set einen Film erst gelingen läßt: „Der falsche Umgang mit Konflikten kostet Schauspieler, Techniker und Regisseure viel Kraft – und oft auch bares Geld.“ Im schlimmsten Fall mißlingt der ganze Film.

Ihre InterviewpartnerInnen hatten alle ihre eigenen Strategien des „Konfliktmanagements“: Der eine spricht mit der zickigen Schauspielerin ein Machtwort, die andere ruft „Scheiße!“, ein dritter reißt sich zusammen und fragt verständnisvoll nach. Die Strategien sind oft erfolgreich, berichten die Interviewten, aber „innerlich kriegst du Haarausfall und Pickel“. Und manchmal wissen selbst große Regisseure nicht weiter. Viele mußten in ihre Führungsrolle erst hineinwachsen.

Dabei läßt sich gutes Konfliktmanagement trainieren, weiß Grobe. Wichtig sei dabei nicht, daß ein Regisseur nur noch kooperativ oder aber direktiv führe, sondern die ganze Palette dazwischen beherrsche und je nach Situation variieren könne. Ein entsprechendes Workshop-Konzept für die Aus- und Weiterbildung hat sie schon erarbeitet. Möglich sei aber auch, direkt am Set einen „externen Trainer“ einzusetzen. Grobe selbst hat bereits kleinere Filmteams begleitet und deren Konflikte erfolgreich moderiert. In anderen Wirtschaftszweigen ist der Einsatz externer Moderatoren seit Jahren selbstverständlich – Konflikte sind kein Privileg der Filmbranche.

Bis sich ein professionelles „Konfliktmanagement am Set“ etabliert oder RegisseurInnen sich gar in Kleingruppen über ihre Strategien austauschen, wird es noch lange dauern, meint Grobe: „Im Moment versuche ich erstmal, überhaupt Akzeptanz zu schaffen“ – und zwar für die Tatsache, daß auch Regisseure nur Menschen sind.

Zu der Forschungsarbeit ist ein Reader erhältlich am Fachbereich Psychologie der Universität Hamburg, 4123-5484