Gebot der Liebe oder Strafe

■ Darf die Kirche einen Ehebruchs mit Rausschmiß bestrafen? Öffentliches Gespräch über die Kündigung eines Kantors im BEK-Informationszentrum „Kapitel 8“

Der Raum des „Kapitel 8“ war mit über 100 Interessierten brechend voll, als am Donnerstag abend das Thema „Rausschmiß eines Kantors wegen Ehebruchs“ anstand. Und die Haltung des Kirchenvolkes, das da gekommen war, zu den durch den Kirchenvorstand in St. Magni (vgl. taz bremen vom 22.1.) ausgesprochenen zwei fristlosen Kündigungen war eindeutig: „Hier versagt die Kirche, ich schäme mich dafür“, erklärte eine ältere Frau. Mit Strafe zu reagieren, wenn zwei Menschen sich inniglich lieben und dadurch dann anschließend Probleme entstehen, sei eher „alttestamentarisch“.

Ganz theologisch empörte sich auch der Pfarrer Hartmut Ridder aus der Nachbargemeinde von St. Magni, aus Blumenthal. Die Gebote seien Regeln, mit denen etwas geschützt werden solle. Mit dem siebten Gebot („Du sollst nicht ehebrechen“) das eheliche Zusammenleben. Sie dürften deshalb nicht als Argument dienen, um zu bestrafen, „das ist nicht der Sinn des Gebotes“, machte Pfarrer Ridder seinem Unmut Luft.

Der Rechtsanwalt des gekündigten Kantors und der gekündigten Jugenddiakonin, Bernhard Baumann-Czichon, berief sich für die theologische Seite seiner Argumentation auf eine alte kirchliche Ordnung. Die Ehe sei lebenslänglich und unauflöslich, steht da, Eheleute müßten füreinander sorgen. Wer, wie der Kantor, sich von seiner Frau und seinen Kindern trennt und aus der Dienstwohnung auszieht, habe damit die Ehe aufgelöst. Die Gemeinde habe ihrem Kantor nicht geholfen, als die Ehe scheiterte. Sie habe, arbeitsrechtlich formuliert, auch nicht abgemahnt, sondern ein Jahr nach dem Scheitern der Ehe mit dem „Fallbeil“ der fristlosen Kündigung reagiert, so Baumann-Czichon.

Die Kirche müsse Liebende seelsorgerlich in ihren Problemen begleiten, forderte auch der Diakonenvertreter Herbert Hinze. Für den betroffenen Kantor habe die Gemeinde zu der Angst vor seiner Frau und der Angst vor seinen Kindern nun die Angst vor der Kirche hinzugefügt, sagte ein Pfarrer aus Hastedt. Und hat Jesus die Ehebrecherin nicht freigesprochen?

Brigitte Tunkel von der Gruppe „Überleben und Leben“, in der sich geschiedene Pfarrfrauen bundesweit organisiert haben, erinnerte an den hohen moralischen Druck, unter dem Pfarrfrauen in der Öffentlichkeit stehen. Von ihrer existentiellen Bedrohung werde nicht geredet. Wenn der Kantor durch die Kündigung arbeitslos wird, bleibt der Frau mit ihren sechs Kindern allerdings auf Dauer nur der Gang zum Sozialamt.

Vertreter der zuständigen Gemeinde St. Magni oder des Gemeindevorstandes waren offenbar nicht gekommen, um sich der kirchlichen Diskussion zu stellen. So versuchte der Justitiar der Bremer Evangelischen Kirche, Johann-Daniel Noltenius („Ich habe von dem Fall aus der Zeitung erfahren“), möglicherweise rechtfertigende Argumente zusammenzutragen. Grundsätzlich könne die Kirche von ihren Mitarbeitern ein moralisch vorbildliches Verhalten verlangen.

Zu dem konkreten Fall wollte er sich dann aber doch nicht äußern. Er warb dafür, dem Kirchenvorstand aus St. Magni nicht von vornherein zu unterstellen, daß der „leichtfertig gehandelt“ habe. Er bedauerte, daß der Fall öffentlich geworden sei.

Daß die Gemeinde St. Magni mit ihrer erteilten fristlosen Kündigung vor dem Arbeitsgericht nun wahrlich keine Chance hat, dürfte der Jurist Noltenius aber wissen. Er meinte denn auch, daß jetzt eine „sozialverträgliche Lösung gefunden“ werden müsse.

Klaus Wolschner