Der Ruin des Herrn Berlin

■ Zur Vorschau: Heute und morgen verwandelt sich die HfK in ein Kurzzeitmuseum für zeit-genössische Kunst, Design, Musik. Bücher an der Wand gibt's bei dieser Jahresausstellung auch

Designer, das sind diejenigen, die uns klar machen, daß Nutella gesund ist und ein Ford Fiesta bessere, glücklichere Menschen aus uns macht. Ein differenzierteres Bild über diesen verdächtigen Menchenschlag kann man sich dieses Wochenende in der Hochschule für Kunst (HfK)/ Am Wandrahm machen. Dort sind Diplomarbeiten aus den Studiengängen Mode und Design zu sehen. In der HfK-Dependance in der Dechanatstraße hingegen kann man überprüfen, was die Freie Kunst in Bremen treibt. Von den 700 StudentInnen der HfK (inklusive Musik) werden 43 KünstlerInnen und DesignerInnen die Hochschule verlassen und hinterlassen nun das letzte Mal ihre Duftmarke.

In Bremen existiert ein erweiterter Begriff von Design. Design heißt hier eben nicht nur Zaubern auf dem Mac (stilsicher zieht man diesen auch an der HfK dem PC des viel zu reichen Bill Gates vor), sondern schöne Dinge wie Drachenfliegen, Reisen, Kinosehen und – ganz wichtig – Paddeln. Viele Abschlußarbeiten sind nämlich Bücher, z.B. übers Paddeln. Die wurden zerrupft und verteilen sich jetzt in Ateliers und Druckwerkstatt über viele Etagen. Der Weserpaddler schoß Fotos von Wellen und Ufern aus der typisch bodenkriechenden Paddlerperspektive und notierte die Körper- und Seelenempfindungen beim sportelnden Reisen dazu. Lang wie die Weser fließt das Buch jetzt die Wand entlang. Eine Kollegin fuhr in ein Dorf in Siebenbürgen, der Heimat ihrer Eltern, und dokumentierte mit seltsam altertümelndem Zeichenstrich und Fotos diese im Verschwinden begriffene Welt. „Dies genaue Zeichnen kommt wieder“, meint Professor Haase. Ein anderer Student präsentiert die Geschichte des Stummfilms auf CD-ROM. „Es ist doch erstaunlich, wie aufwendig und neugierig viele Arbeiten in diesem Jahr sind“, freut Haase.

Eine Studentin hat sich mit Essen beschäftigt. Ihre Methode: Produktives Chaos. So erfährt man, daß jede Bohne ein Individuum ist, daß viele als einfach gepriesene Rezepte, ums-Hühnerrupfen-nicht nachkochbar sind, daß Stiere im Dunkeln wie ein Kringelpaar (die leuchtenden Augen!) aussehen und daß man aus dem grünen Sternblatt von Tomaten schöne Tapeten zaubern kann. Stapelweise liegt dieses KunstKochBuch der anderen Art für den Spottpreis von 15 Mark (so Haases Mutmaßung) zum Verkauf aus. „Berlin Druck“ steht auf dem Wickelpapier.

„Ah, Berlin Druck“, sagt Haase achtungsvoll, „der Herr Berlin wird sich noch ruinieren“, und erzählt von dem engagierten Drucker aus Achim, der immer mal wieder arme StudentInnen sponsert. „Aber viele Studenten investieren auch richtig viel Geld.“ Vermutlich auch der Herr, der Zeichen zu ihrem Ursprung rücküberführte: Die Symbole von Wetterkarten (H für hoch und ein Kringel für eine Kältefront) transferiert er auf Flugdrachen und ging damit spielen; Fotos von der Wiedererweckung dieser alten Kinderlaune sind in einer aufwendig gestalteten Zeitung zu sehen. Außerdem sieht man Fotos von nackten Frauenhintern, die mal aussehen wie Aprikosen, mal wie Rubens-Bildausschnitte. Und man erfährt, daß es 700 verschiedene Kartoffelsorten gibt, eine verführerischer als die andere. Hinterfotziges ist selten. Nur der Versuch eines Absolventen, sich die gutaussehenden, fröhlichen, sportlichen Menschen aus den Kontaktanzeigen leibhaft vorzustellen, ist fies, also komisch.

Die Modeabgängerinnen (98 Prozent Frauen) scheinen vom Ehrgeiz gepackt möglichst viele Nähte in ein Modell zu verpacken. In vielen Schichten stapeln sich Schuppenapplikationen. Die Nähe zu Künstlern merkt man in witzigen Drahtgestellen an den Hüften und Abendkleider, die aussehen wie ein verkleideter Schmetterlinge. bk

Am Sonntag um 16h und 19h sind aufwendige Multimediakonzerte unbedingt zu empfehlen, die mit jede Menge Videobeamer und Diaprojektoren hochgerüstet sind und schon auf dem Kongress „profile intermedia“ liefen.

Samstag 12h, 15h, 18h: Videovorführungen. Sonntag 11h: Kunstbuchpräsentation mit tollem Konzert. 21h Party