Sierraleonier fordern Waffenembargo

■ Rund 75 Flüchtlinge in Bremen demonstrierten für ein Ende des Krieges in Sierra Leone: „Europa muß intervenieren“

Die jüngsten Kriegsberichte aus Sierra Leone trieben Bremens Flüchtlinge aus dem westafrikanischen Kriegsgebiet gestern auf die Straße. „Keine Waffen für Sierra Leone“, forderten die rund 75 zumeist männlichen Demonstranten, als sie durch Bremens Straßen zogen. „Wir wollen die Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen, daß in unserer Heimat schon seit sieben Jahren Krieg herrscht“, sagt Mohamed Ousman Sesay, der Sprecher des Bündnisses, das von keiner politischen Partei getragen wird. Anlaß für die Demonstration sind jüngste Presseberichte, nach denen Kämpfe zwischen Rebellengruppen und Ecomog-Einheiten um die Hauptstadt Freetown fast 3.000 Tote forderten. Opfer wurden danach vielfach Zivilisten. Außerdem wurden Bemühungen um Waffenlieferungen bekannt, die für den Aufbau einer sierraleonischen Sicherheitsgruppe bestimmt sein sollen. Experten fürchten die Ausweitung des Krieges auf die Region.

Rund 200 Flüchtlinge aus Sierra Leone leben derzeit in Bremen. „Wir sind froh, hier zu sein. Die Lage von Flüchtlingen in westafrikanischen Nachbarländern, wohin viele Sierraleonier geflüchtet sind, ist katastrophal“, sagten viele gestern. Die Versorgung der Flüchtlinge vor Ort durch Hilfsorganisationen sei schwierig; immer wieder würde von Rebellenangriffen auf Flüchtlingslager auch im Grenzgebiet von Guinea berichtet. „Trotzdem leiden viele Flüchtlinge in Deutschland darunter, daß sie in keiner Weise helfen können“, betont Udo Kasper von der Flüchtlingsinitiative Friesenstraße. „Belastend ist auch, daß sie, trotzt der langen Dauer des Bürgerkriegs, hier nicht arbeiten und keine Ausbildung machen können.“

Einer der Leidtragenden dieser ausländerrechtlichen Regelungen ist der 16jährige Abu Bakarr Barrie, der hier geduldet wird. Mit ihm sprach die taz.

Du hast dich an der Demonstration der Sierraleonier in Bremen beteiligt – warum?

Abu Bakarr Barrie: Wir sind auf die Straße gegangen, um auf die Lage in unserem Land aufmerksam zu machen. Wir alle haben Familienmitglieder verloren, es herrscht Krieg – aber ich habe den Eindruck, daß viele Deutsche das nicht verstehen.

Wann bist du nach Deutschland gekommen?

1996. Ich bin mit älteren Männern zu Fuß über die Grenze nach Guinea gelaufen. Von dort aus sind wir mit dem Auto gefahren. In Guinea bin ich aufs Schiff, dort habe ich mich versteckt. Mein Bruder hat sein letztes Geld dafür gegeben, daß ich wegkam.

Welche Informationen hast du über die Lage in Sierra Leone?

Ich weiß nur, was sie im Fernsehen melden. Soweit ich informiert bin, sind die Rebellen jetzt wieder in die Hauptstadt vorgedrungen; über 3.000 Menschen sollen dabei ermordet worden sein.

Hast du dort Verwandte?

Ja. Meine Mutter. Wie ich hat sie das Dorf verlassen, nachdem die Rebellen kamen, und ist in die Stadt gegangen. In ein Flüchtlingslager. Soviel ich weiß, halten die Rebellen jetzt das Lager besetzt. Ich mache mir große Sorgen.

Wie alt warst du, als du dein Dorf verlassen hast?

Damals war ich 14.

Welche Pläne hattest du vor dem Krieg?

Ich wollte weiter zur Schule gehen und dann Automechaniker werden.

Wie war es, als du hierher kamst?

Sie haben mir gesagt, ich muß einen Asylantrag stellen. Das habe ich getan. Nach ein paar Monaten haben sie meinen Antrag abgewiesen. Ich habe eine Duldung, weil wir ja nicht ins Kriegsgebiet zurückkönnen. Mein Dorf zählt jetzt zum „Rebellenland“.

Was machst du hier tagsüber?

Ich gehe zur Schule. Danach würde ich gerne eine Ausbildung machen. Was sollte ich sonst tun? Aber ich glaube nicht, daß das möglich sein wird. Einige ältere Sierraleonier, die ich kenne, dürfen keine Ausbildung machen. Wir bekommen immer nur eine auf mehrere Monate befristete Duldung – obwohl der Krieg schon sieben Jahre dauert. Ich finde das nicht fair. In meinem Land durften Leute aus anderen Ländern immer lernen und studieren. Hier geben sie mir keine Chance. Fragen: Eva Rhode