■ Tagung
: Tourismuspolitik?

Der Tourismus wächst und wächst. Er ist der Wirtschaftszweig – weltweit – mit den rosigsten Aussichten. Aber brauchen wir deshalb eine Tourismuspolitik? Eine tourismuspolitische Instanz, wie das Verkehrsministerium, die aber nicht Verkehrsströme, sondern Touristenströme lenkt, in bezug auf regionale Erschließung, Ausbau und touristische Perspektiven? Eine Tagung in der evangelischen Akademie Loccum beschäftigte sich mit Handlungsfeldern und Strategien einer Tourismuspolitik der Zukunft. Dabei war nicht einmal klar, was eine Tourismuspolitik der Gegenwart vorzuweisen hat. „Eine Flut aus Nachhaltigkeitsprogrammen auf internationaler Ebene“, die keiner umsetze, befand skeptisch Georg Fritz vom Bundesamt für Naturschutz. Und obwohl es immer enger wird in der Landschaft, fehle es letzlich an politischen Strategien: an runden Tischen in der Regionalplanung, an der konsequenten Anwendung des Verursacherprinzips und der Kontrolle touristischer Entwicklung, an Ökosteuer im Zusammenhang mit Verkehr und Mobilität, ganz zu schweigen von der immer wieder beschworenen Kerosinsteuer. „Die Naturschutzverbände setzen nur noch auf Kooperation mit der Industrie“, so Georg Fritz, „es fehlt an Wadenbeißern.“ Und an der Umsetzung von klugen Entwürfen und Leitlinien im politischen Bereich. „Alle wollen Nachhaltigkeit“, meint Christian Baumgärtner vom „Institut für Integrativen Tourismus und Freizeitforschung“ in Wien, aber vom Hotelier über den Veranstalter bis zu den Institutionen warte jeder darauf, daß der andere anfängt. Tourismuspolitik, die Standards setze, habe bisher nicht stattgefunden. So sei die Alpenkonvention in Europa zwar ein wunderbares Instrument für Nachhaltigkeit, nur halte sich keiner daran.

Auf internationaler Ebene sieht es nicht anders aus. Der Tourismus, Global Player der ersten Stunde, folgt nur dem Lockruf des Marktes. Nach den GATT-Abkommen zur umfassenden Liberaliserung der Wirtschaft 1994, die über hundert Länder unterzeichneten, und der Förderung touristischer Erschließung durch den Internationalen Währungsfonds haben die touristischen Konzerne Traumbedingungen. Der Tourismus ist für viele Länder der Hauptdevisenbringer zur Schuldenrückzahlung. „Wo lassen sich unter diesen strukturellen Abhängigkeiten tourismuspolitische Forderungen nach sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit verwirklichen? Wer soll sie überhaupt umsetzen?“ fragte Christine Plüss vom Schweizer Arbeitskreis für Tourismus. Gutgemeinte Programmatiken etwa der Welttourismusorganisation nehme ohnehin niemand ernst. Ein Dilemma: Tourismus ist als Wirtschaftsprodukt heterogen und expansiv, als politische Gesamtkonzeption nicht existent, aber als Problem gravierend. Edith Kresta