Dörte Caspary verriet Bekannte

Bis zu ihrem Rücktritt hatte die designierte SPD-Sprecherin Bespitzelung von Leuten in ihrem Bekanntenkreis bestritten. Ihre Stasi-Akte beweist das Gegenteil  ■ Aus Berlin Georg Löwisch

„Der IM arbeitete ehrlich und zuverlässig mit dem MfS zusammen. Es gab keine Anzeichen einer Dekonspiration.“ Dies ist das Fazit, das der Stasi-Führungsoffizier Hauptmann S. im Juli 1987 nach seiner Zusammenarbeit mit der Schülerin Dörte Caspary zog. Vor gut einer Woche hatte die designierte Sprecherin des SPD-Bundesvorstandes auf den Posten verzichtet, nachdem ihre Stasi-Tätigkeit bekanntgeworden war. Zuvor hatte sie die Vorwürfe bestritten. Die taz erhielt gestern von der Gauck-Behörde die dort entdeckten Stasi-Akten der heute 32jährigen Journalistin. 1993 waren sie bei einer ersten Überprüfung durch ihren Arbeitgeber, den ORB, übersehen worden. Die Aktenverwalter hatten unter dem Buchstaben K gesucht, nicht unter C.

Zu den Unterlagen gehört auch eine handschriftliche Verpflichtungserklärung vom 29. Mai 1984, die mit „Dörte Caspary“ unterschrieben ist. Darin wählt sie den Decknamen „Eiche“. Zum Zeitpunkt ihrer Verpflichtung war Caspary 17 Jahre alt und besuchte die Oberschule. Insgesamt sind in den Unterlagen 15 Treffen mit dem Führungsoffizier dokumentiert. Die Schülerin wurde vom MfS beauftragt, Informationen bei einer Familie mit „BRD-Verbindungen“ zu sammeln.

Zu ihrer Legende gehörte es, sie müsse ihrem Berufswunsch der Journalistin entsprechend für einen Übungsartikel recherchieren. Die Familie habe dies geglaubt und keine Nachfragen gestellt, notiert der Führungsoffizier. Es habe keine Nachfragen der Familie gegeben, heißt es: „Das belegt, daß das bisherheiger Auftreten des IM gegenüber den [Name von der Gauck-Behörde geschwärzt] eine absolute Vertrauenswürdigkeit dokumentierte.“

Caspary wird in den Unterlagen mehrfach dafür gelobt, daß sie es geschafft habe, das Vertrauen der Familie zu gewinnen. „Die z.Z. verfolgte Zielstellung der Festigung des Vertrauensverhältnisses zur [...] wurde erreicht“, heißt es in einem Bericht aus dem Januar 1985. Neben geplanten Besuchen der West-Verwandtschaft berichtet „Eiche“ von einem Verwandten, der bei der Bundeswehr „schon höher aufgestiegen“ sei und bei einer Nachrichtentruppe arbeite. Dies wird als „operativ sehr interessant“ bewertet. Caspary gab damals offenbar auch sehr persönliche Details preis. Über das Liebesleben einer Mitschülerin berichtet sie: „Nach anfänglicher ernsthafterer Beurteilung dieser Verbindung nahm die [...] im Verlauf der Sommerferien intime Kontakte zu anderen männlichen Personen auf. Beim Auftritt des Mädchenchors der EOS beim Sportlerball in Berlin hatte die [...] intime Kontakte zum [...].“

1985 begann Caspary beim Berliner Rundfunk ein Volontariat. Wie aus den Unterlagen hervorgeht, suchte die Stasi eine Zeitlang eine weitere Verwendung für sie. Nach einem kurzen Auftrag wird 1987 jedoch festgestellt, es gebe keine Einsatzmöglichkeiten.