Neues Loch in Lafontaines Säckel

■ Karlsruhe: Der Finanzminister muß mehr Geld für Beamte ausgeben

Karlsruhe (taz) – Kinderreiche Beamte und Richter bekommen ab dem 1. Januar 2000 teilweise mehr Geld. Zum zweiten Mal innerhalb eines Monats setzte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) dem Gesetzgeber ein Ultimatum, um kinderfreundlichere Nettobezüge durchzusetzen. In einem am Freitag veröffentlichten Beschluß entschied das Gericht, Beamte mit mehr als zwei Kindern hätten zwischen 1988 und 1996 unter dem Strich zuwenig verdient, um sich und ihre Familie angemessen zu unterhalten.

Rückwirkend sollen zwar nur Beamte und Richter von der Entscheidung profitieren, die eine höhere Besoldung eingeklagt haben. Bis Anfang nächsten Jahres forderten die roten Roben aber eine Korrektur aller Netto-Gesamtbezüge. Jedes dritte und weitere Kind muß dann mit dem Sozialhilfesatz plus 15 Prozent berücksichtigt werden. Andernfalls sind alle Gerichte und Behörden verpflichtet, von sich aus die entsprechend höhere Besoldung festzulegen. Nach vorläufigen Berechnungen des Beamtenbunds kostet die Entscheidung den Finanzminister rund 270 Millionen Mark im Jahr.

Ob der Gesetzgeber die Erhöhung über Kindergeld, Kinderfreibeträge oder höhere Besoldungsteile wie den Ortszuschlag regelt, kann er nach dem Beschluß selbst entscheiden. Teilweise löst sich das Problem deshalb durch die Kindergelderhöhung und die Umsetzung der Kinderfreibetrags-Entscheidung. Nach diesem im Januar veröffentlichten Beschluß müssen die Freibeträge für alle Kinder in zwei Stufen bis Anfang 2000 und 2002 massiv erhöht werden.

Auslöser für den gestrigen Beschluß waren die Klagen mehrerer Beamter vor Verwaltungsgerichten (VG). Elf VGs hielten die Besoldungsvorschriften für verfassungswidrig und verlangten ein klärendes Wort aus Karlsruhe. Sie beriefen sich dabei auf frühere BVerfG-Entscheidungen, in denen mehr Geld für kinderreiche Beamtenfamilien eingefordert worden war, die aber in Bonn zuerst gar nicht und dann nach Ansicht der Verwaltungsrichter völlig unzureichend umgesetzt worden waren. Daß Beamte und Richter mehr Geld für Kinder bekommen sollen als andere Eltern – in der Freibetrags-Entscheidung war nur vom Sozialhilfesatz, nicht aber vom 15-Prozent-Aufschlag die Rede –, begründete Karlsruhe mit den „hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums“. Mit diesem Begriff übernimmt das Grundgesetz beamtenrechtliche Vorstellungen der Weimarer Republik wie die Betonung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit von Beamten. Gudula Geuther