Finanzierung umstritten

Bonn in Finanznöten: Woher soll das Geld für die von Karlsruhe geforderte Familienentlastung kommen? Grüne wollen Steuererhöhungen nicht mehr ausschließen  ■ Aus Bonn Markus Franz

Trotz der finanziellen Mehraufwendungen, die kinderfreundliche Urteile des Bundesverfassungsgerichts erzwingen, wird es bei einer Steuerentlastung in Höhe von 15 Milliarden Mark bleiben. Darauf haben sich am Donnerstag abend die SPD-regierten Länder und Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine geeinigt. Die Finanzierung ist aber umstritten.

Grünen-Fraktionschef Rezzo Schlauch schließt Steuererhöhungen nicht mehr aus. Zwar habe Sparen Vorrang, es könne aber sein, „daß wir am Ende auch um Einnahmeverbesserungen nicht völlig herumkommen“. Der Fraktionschef warnte davor, den Staat „kaputtzusparen“. Er müsse in der Lage sein, seine Aufgaben zu erfüllen. FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle triumphierte: Schlauch habe „die Katze aus dem Sack gelassen“.

Finanzminister Oskar Lafontaine hält es aber angesichts der „labilen Konjunkturlage“ für falsch, von Steuererhöhungen zu sprechen. Eine Mehrwertsteuererhöhung schließen Politiker von SPD und Grünen kategorisch aus. Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte zur Gegenfinanzierung der Familienentlastung eine Mischung aus Sparen und dem Stopfen von Steuerschlupflöchern angekündigt.

Immer mehr Politiker bezweifeln aber, daß dadurch die Finanzlöcher gestopft werden können. Zu den Kosten für die Familienentlastung kommt nach Angaben von Lafontaine ein strukturelles Defizit von weiteren 20 Milliarden Mark, als Erblast der Regierung Kohl, hinzu. Außerdem muß die Nettoentlastung in Höhe von 15 Milliarden für die Steuerreform verkraftet werden, deren erste Stufe am 1. April in Kraft treten soll. Zwar gehen Experten davon aus, daß sich die Steuerreform durch die beabsichtigten nachfragesteigernden Effekte teilweise selbst finanziert. SPD-Politiker wie Fraktionschef Peter Struck halten es aber für ausgeschlossen, daß dieser Effekt mehr als zehn Milliarden Mark betragen könnte.

Während die SPD noch im Trüben fischt, wie konkret die Familienentlastung finanziert werden soll, haben die Grünen ihr Patentrezept bereits gefunden: die drastische Kappung des Ehegattensplittings. Die Karlsruher Entscheidungen kommen ihnen sogar wie gerufen. Denn angesichts der finanziellen Notlage war die Chance selten so gut, auch bei der SPD eine Mehrheit für eine Reform des Splittings, das den Staat jährlich rund 30 Milliarden Mark kostet, zu finden. Die Grünen lehnen das Ehegattensplitting als Subventionierung des Trauscheins ab, wollen die Regelung, bei dem die Einkommen der Ehepartner zusammengerechnet, halbiert und erst dann versteuert werden, aber nicht abschaffen, um nicht mit dem Grundrechtsschutz von Familie und Ehe in Konflikt zu geraten.

Der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Klaus Müller, geht davon aus, daß durch die Kappung des Ehegattensplittings etwa 20 Milliarden Mark eingespart werden könnten. Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Kristin Heyne, hält dagegen 6,5 Milliarden Mark für realistisch.

Die Finanzexpertin der Grünen, Christine Scheel, sieht die Zeit reif für eine drastische Vereinfachung des Steuerrechts: Individuelle Besteuerung und nur noch zwei Steuerklassen. Freibeträge solle es nur noch für Kinder geben.

Beim Steuerreformpaket, das am kommenden Mittwoch im Kabinett beraten wird, ist das Ehegattensplitting ausgenommen. Darüber soll erst dann beraten werden, wenn im Herbst ein eigenes Gesetz zur Familienentlastung vorgelegt wird. Die SPD will sich bewußt Zeit lassen. Schließlich will sie das neue Motto von Kanzler Schröder umsetzen: „Solidität vor Schnelligkeit.“