Abgewirtschaftete Zweisamkeit

Wahlverwandtschaftlicher Partnertausch im Streichquartett – „Die Beleidigten“ von Ulrich Hub in der Studiobühne des Maxim-Gorki-Theaters bietet hervorragende Unterhaltung mit lustigen Musikanten  ■ Von Miriam Hoffmeyer

„Musik und Saitenspiel sind gut, wenn man sie mäßig brauchen tut“, weiß das Sprichwort. Trotzdem gründen zwei junge Paare, die beide im selben Orchester spielen, auch noch ein Streichquartett und proben ohne Unterlaß, unentwegt für ihren ersten großen Auftritt. Daraus wird jedoch leider nichts. Statt dessen liegt am Ende einer tot im Orchestergraben.

Robert und Renate lieben sich, Florian und Marion haben sich gerade getrennt. Robert und Florian sind Freunde, Renate und Marion Schwestern. Alle vier haben Erfolg im Beruf und sehen gut aus. Diese Grundkonstellation würde sich auch in einer neuen deutschen Filmkomödie ziemlich gut machen, und so ist es wohl kein Zufall, daß Ulrich Hub, der in seinem Stück „Die Beleidigten“ selbst Regie führt, dafür vier junge Filmschauspieler verpflichtet hat.

Peter Lohmeyer spielt den ersten Geiger Robert, einen Klassenclown und Sprücheklopfer, den aber eine tiefe innere Unsicherheit peinigt. Der zweite Geiger Florian (Ingo Naujoks) kommt eher introvertiert daher – ein stiller Brüter. Die beiden Frauen verkörpern gegensätzliche Schwesterntypen, wie sie in Wirklichkeit und Fiktion häufig vorkommen: Renate (Nana Krüger, Bratsche) ist klassisch schön, brav, strebsam und prüde; Marion (Antje Schmidt, Cello) offensiv, sexy, leichtsinnig und schludrig.

Doch keine der Figuren ist mit sich selbst zufrieden, alle nehmen versuchsweise fremde Sprech- und Verhaltensweisen an, in der Hoffnung, sich zu verändern oder zumindest den drei anderen etwas vorzumachen. Redewendungen, die sie einmal aufgeschnappt haben, bringen sie später schamlos als eigene vor: die Klage über „restlos abgewirtschaftete Zweisamkeit“, den vorgeblichen Wunsch nach der „Erfahrung großer und tiefer Einsamkeit“. Alle lügen und heucheln, daß sich der Gitterrost biegt, auf den die Bühnenbildnerin Monika Morsbach das Quartett plaziert hat. Und natürlich betrügen sie einander durch wahlverwandtschaftlichen Partnertausch.

Weil alle schwindeln, bleibt vieles unklar: Hat Florian Marion tatsächlich geohrfeigt? Hat Marion Renate bei Robert angeschwärzt? Und was ist dran an der Schwärmerei von den Liebeskünsten des Cellisten vom zweiten Pult? Zwischen den Quartettproben legen die vier einzeln Zeugnis ab von ihren komplizierten Beziehungen. Nur Florian fehlt bei diesen rückblickenden Monologen. Er wird sich am Morgen des geplanten Konzerts zu Tode stürzen und damit Ernst machen aus dem allzu spielerischen Leben und Lieben.

„Die Beleidigten“ ist also eigentlich als Tragikomödie gemeint. Doch dafür plätschert das witzige Redegeplänkel zu gleichmäßig dahin, sogar die Wutausbrüche sind nett formuliert, körperliche Berührungen selten und flüchtig. Das paßt zur Unverbindlichkeit der Beziehungen, aber Florians rasches Ende wirkt aufgesetzt. Auch das musikalische Engagement kann man dem Quartett nicht glauben. Daß sie keinen einzigen Ton auf ihren Instrumenten spielen, wäre als inszenierungstechnische Notwendigkeit noch hinzunehmen. Aber daß sich Gespräche über Musik in Sätzen wie: „Deine Fingersätze sind einfach fabelhaft“ erschöpfen, ist schon ärgerlich. Und kein Profi-Musiker würde sich den Kopf darüber zerbrechen, mit welchen Instrumenten Mozarts Streichquintette besetzt sind. Offenbar ist das Streichquartett nur eine dramaturgische Klammer, um die vier Figuren zusammenzuhalten. Trotzdem bieten die lustigen Musikanten hervorragende Unterhaltung – besser als viele Filmkomödien.

Weitere Aufführungen in dieser Spielzeit in der Studiobühne des Maxim-Gorki-Theaters, Am Festungsgraben 2, Mitte, Telefon: 20221115