„Die Liberalisierung dient den Großen“

■ Preissenkungen für private Stromkunden gibt es frühestens im Jahr 2002, meint Dietmar Winje, der Vorstandsvorsitzende der Bewag, im taz-Interview. Im Vordergrund steht der Wettbewerb um die Großkunden. Und da ist Daimler bereits abgesprungen

taz: Die Liberalisierung des Strommarktes diene den Verbrauchern, heißt es. Meine Stromrechnung beträgt alle zwei Monate 500 Mark. Wann kann ich aufatmen?

Dietmar Winje: So viel? Bewohnen Sie eine Lagerhalle?

Nicht ganz. Wann kann ich mit geringeren Kosten rechnen?

Die Bewag bietet Ihnen jetzt schon sehr attraktivie Preise. Die liegen niedriger als die in München oder Hamburg. Wir gehen davon aus, daß wir diese Preise auch in Zukunft halten können. Obwohl die Konzessionsabgabe, die die Bewag ans Land Berlin zahlt, angestiegen ist. Bei uns ist Ihnen Preisstabilität garantiert.

Das ist alles? Im Zuge der Telekom-Liberalisierung sanken doch auch die Gebühren?

Mittelfristig gibt es beim Strom dafür kaum eine Möglichkeit. Die Tarife der Haushaltskunden können erst dann sinken, wenn die Konzessionabgabe, die wir auffangen, nicht mehr steigt.

Wann soll das sein?

Nach dem Jahr 2002. Irgendwann kommt die Reduzierung der Kosten auch bei den privaten Kunden an. Doch das braucht Zeit.

Demnächst will etwa Greenpeace den privaten Haushalten sauberen Strom anbieten – vielleicht billiger als die Bewag. Wie wollen Sie mich als Verbraucher halten, wenn die Konkurrenz zu besseren Konditionen liefert?

Solarstrom können Sie heute schon über uns beziehen – zu etwas höheren Preisen freilich als für die übrige Elektrizität. Neben der Ökologie – ein großer Teil unseres Stromes stammt aus der Kraft- Wärme-Kopplung – ist unser Argument die Versorgungssicherheit.

Sie wollen Ihre Verbraucherpreise nicht senken, auch wenn ein billigerer Konkurrent kommt?

Bei den privaten Haushalten wollen wir die Gleichbehandlung erhalten. Der Preis für die Kilowattstunde ist überall derselbe.

Wenn private Verbraucher nicht profitieren, wer dann?

Die Liberalisierung dient zunächst den großen Kunden, dann den mittleren. Der Dienstleistungskonzern debis am Potsdamer Platz oder das Motorenwerk von Daimler-Benz in Marienfelde verbrauchen große Mengen Strom. Da funktioniert die Preisbildung etwas anders. Dort sinkt der Preis zuerst.

Weil Sie an den Großkunden mehr Geld verdienen, geben Sie sich dort auch größere Mühe.

Wir geben uns überall Mühe. Man kann allerdings nicht die Preise zwischen großen und kleinen Kunden vergleichen. Entscheidend ist, daß Privathaushalte in Berlin weniger zahlen als in anderen Großstädten.

In den vergangenen Jahren hat die Bewag jeweils die höchsten Gewinne in der Firmengeschichte ausgewiesen. Wieso werden diese Einnahmen nicht an die Verbraucher weitergegeben?

Wir stehen im Wettbewerb – auch auf den Kapitalmärkten. Man muß eine bestimmte Dividende ausschütten. Daran orientieren wir uns. Wir sind keine karitative Vereinigung, sondern ein Wirtschaftsunternehmen.

Diese Anforderungen sind seit der Privatisierung 1997 sehr gestiegen. Der neue Eigentümer, der US-Konzern Southern Company, sowie die Viag und Veba wollen eine höhere Rendite sehen als früher das Land Berlin.

Das hat mit der Privatisierung nicht soviel zu tun. Die Deregulierung entläßt die Unternehmen in den internationalen Wettbewerb, weshalb sie sich den entsprechenden Rendite-Standards anpassen müssen.

War die Dividende zugunsten des Landes früher niedriger als heute für die Privatkonzerne?

Ja, wir haben sie in den vergangenen sechs Jahren vervierfacht.

Die Konkurrenz versucht, mit niedrigeren Preisen der Bewag große Kunden abspenstig zu machen. Wie viele haben Sie schon verloren?

Wir sehen das gelassen. In einem Wettbewerbsmarkt können wir nicht mehr 100 Prozent Marktanteil haben. Gegen Dumpingpreise kommt man nicht an, so ist die Welt.

Sind Daimler und debis bereits abgesprungen?

Nein, mit debis haben wir einen langfristigen Vertrag. Daimler- Benz allerdings hat eine bundesweite Rahmenvereinbarung mit Energie Baden-Württemberg und den Hamburgischen Elektricitätswerken geschlossen. Die teilten uns unlängst mit, daß sie nun zuständig sind.

Versuchen Sie, Daimler zurückzuholen?

Nicht um jeden Preis.

Ist die Bewag als kleineres Unternehmen der Oberliga von der Liberalisierung besonders betroffen, oder geht es auch anderen kommunalen Versorgern wie Ihnen?

Das ist überall dasselbe. Es gibt überall die Auseinandersetzungen um die Belieferung der städtischen Verbraucher durch die auswärtigen Anbieter.

Warum wollen Sie den Strom, den Greenpeace demnächst möglicherweise liefert, nicht durch die Bewag-Kabel leiten?

Wir haben nie gesagt, daß wir die Durchleitung verweigern.

Die Bewag hat mehrmals darauf hingewiesen, daß sie im Energiewirtschaftsgesetz die Rechtfertigung erblickt, ihren Braunkohle- und Kraftwärmestrom zu schützen. Auch, indem auswärtigen Konkurrenten die Benutzung der Leitungen verweigert wird.

Für Strom aus Gas-, Kohle- oder Atomkraftwerken trifft das zu. Derartige Regelungen sieht das Energiewirtschaftsgesetz ausdrücklich vor. Aber grünen Strom werden wir nicht blockieren. Außerdem sind die Mengen für Privatkunden viel zu gering. Sie gefährden uns nicht. Natürlich würden wir einen fairen Preis für die Kabelnutzung verlangen. Den müßte auch Greenpeace bezahlen.

Eine Ihrer Konkurrentinnen, die Firma BTB, hat Ihnen unlängst vorgeworfen, Phantasiepreise für die Nutzung der Kabel zu erheben. Stimmt das?

Wir nehmen standardisierte, kostengerechte Preise.

BTB sagt, daß die Kosten für den Bau einer eigenen Leitung sehr viel geringer waren als der Preis der Bewag für die Durchleitung. Das deutet daraufhin, daß Sie nicht gerade zimperlich sind.

Ach ja, die Konkurrenz polemisiert gerne, auch die BTB.

In einem Vortrag prognostizierten Sie, daß nur wenige Unternehmen die Liberalisierung überleben werden. Gehört die Bewag dazu?

Da bin ich aber ganz sicher. Interview: Hannes Koch