Das Hallenhockey muß als Sündenbock herhalten

■ Nach dem Debakel bei der Champions Trophy wird im deutschen Hockey nach Ursachen für den Niedergang gesucht. Topkandidaten: Überlastung und „Ausländerschwemme“

Ludwigshafen (taz) – Im pakistanischen Lahore fing es an, das wehleidige Lamentieren um das deutsche Hockey. Zwar waren die Spieler mit dem Schäferstock nie die wichtigsten Vertreter der schwarz-rot-goldenen Farben, aber das Scheitern in der renommierten Champions Trophy und der daraus folgende Imageverlust wog schwer und ließ die Kritiker laut werden, ist doch damit ein Quasi-Abstieg in die Zweitklassigkeit verbunden. Wie auch in anderen Sportarten beklagen Aktive, Funktionäre und Vereine die pausenlose Beanspruchung der Spieler durch die fast nahtlos ineinander übergehenden Spielzeiten auf dem Feld und in der Halle.

Bei der Hallenhockey-Endrunde um die Deutsche Meisterschaft in Ludwigshafen versuchte ein Reporter, den unglücklichen Jamilon Mülders vom Club an der Alster Hamburg zu trösten, der kurz zuvor gegen den gastgebenden Dürkheimer HC mit 3:7 verloren hatte. Die Holländer seien bei der Fußball-WM auch gut gewesen und rausgeflogen. Was Mülders trotz seiner Traurigkeit spontan konterte: „Hätte ich das Geld von Dennis Bergkamp, wär' mir das auch egal.“ Das Geld spielt inzwischen auch im braven Hockey eine große Rolle. Die Spieler, oft Studenten, sind nicht mehr bereit, für ein bißchen Sporthilfe ihre Jahre zu verplempern, um das Ansehen der Funktionäre zu mehren. Der Team-Manager des Deutschen Hockeybundes (DHB), Hans Baumgartner, rechnete es in der Deutschen Hockey Zeitung vor: „Ein Spieler, der zwei oder drei olympische Perioden, also acht bis zwölf Jahre Nationalmannschaft spielt, verliert in seiner Ausbildung zwei, drei Jahre und damit um die 500.000 Mark an Einkommen.“ Dem stehen vielleicht tausend Mark monatlich an Sporthilfe gegenüber, was die Absagen namhafter Spieler vor Lahore verständlicher werden läßt.

Christoph Bechmann, Nationalspieler des in Ludwigshafen gescheiterten Halbfinalisten Gladbacher HTC, hat neben diesem Engagement auch schon parallel für den holländischen Verein HC Venlo gespielt. Ein Vorgang, der in Holland und England gang und gäbe ist. DHB-Sportdirektor Dr. Lutz Nordmann dagegen befürchtet eine „Ausländerschwemme“ und wischt solche europäischen Erfahrungen einfach vom Tisch. „Wo kommen wir denn hin, wenn man in einem bald grenzenlosen Europa auf einmal beim DHB die Zäune wieder hoch ziehen will?“, erregte sich Bechmann im Hamburger Hockey-Magazin Sticks. Daß die Nationalmannschaft durch den Zulauf von ausländischen Spielern leiden könnte, sieht er nicht. Das Beispiel Holland scheint das auch zu widerlegen, denn dort gibt es keine Beschränkung und dennoch sind die Oranjes Weltmeister.

Deutschland hat gegenwärtig lediglich ein Erfolgsabonnement im Hallenhockey, das nicht in allzu vielen Ländern gespielt wird. Dennoch ist man munter dabei, die Variation Hallenhockey zum Sündenbock für den Sündenfall Lahore zu machen. Die ununterbrochene Saison, das Hockeyjahr ohne Ende, führe zu Überbeanspruchung, gestatte keine Erholungszeiten, töte die Motivation und erzeuge zuviel Leistungsdruck. Jo Mahn, der Trainer des Clubs an der Alster, lieferte mit seinem Team den Gegenbeweis. Lange hatten die Hamburger als Meister der Nordgruppe fest gestanden und mußten auf ihre Mitstreiter um den Meistertitel warten. „Da war keine Hochspannung mehr“, gestand Mahn ein. Die ausgeruhten Hamburger scheiterten, weil sie zu lange nicht gefordert worden waren. Günter Rohrbacher-List