Die Frau im Zentrum des Machtkampfes

■ Die USA und die Welt bekommen Monica Lewinsky zu sehen. Genau darum ging es auch – denn die Aussagen brachten nichts Neues

Washington (taz) – Seit dem Krieg von Troja hat keine Frau mehr derart im Zentrum der Weltpolitik und verheerender Machtkämpfe gestanden wie Monica Lewinsky. Da streiten sich die mächtigsten Männer der Welt um die Herrschaft über die gewaltigste Supermacht aller Zeiten – und im Zentrum steht eine Frau. Wie Helena im Palast der Trojaner, so blieb Monica Lewinsky 13 Monate lang den Augen der Öffentlichkeit weitgehend verborgen und nährte Spekulationen darüber, wer und wie sie wohl sei.

Am Samstag trat sie vor die Augen der Nation und der Welt. Im Senat, vor dem die Staatsanklage gegen den Präsidenten verhandelt wird, präsentierten Anklage und Verteidigung auf mehreren Monitoren Ausschnitte aus Zeugenvernehmungen, die Anfang der Woche hinter verschlossenen Türen stattgefunden hatten.

Der Tag ging als „Krieg der Ausschnitte“ in die Chronik dieses Skandals ein. Zum Teil zeigten Anklage und Verteidigung die gleiche Abfolge von Frage und Antwort, um je ihre Position zu untermauern. Nicht daß der eigentliche Gegenstand der Verhandlung unwichtig geworden war, das Hauptaugenmerk aber war nicht auf Beweisführung, sondern auf den Star gerichtet, auf die Femme fatale im Zentrum der Affäre. Das Urteil über sie und ihr Zeugnis richtete sich weitgehend nach Parteizugehörigkeit: Den einen erschien sie als „verletzlich, jugendlich und sehr jung“, so der Senator aus Mississippi, Thad Cochran, den anderen als kompetent und souverän. Die Presse ist einhellig der Meinung, daß eine selbstbewußte junge Frau den Männern, die sie vernahmen, durchaus gewachsen war.

Das Erstaunlichste an ihrem Auftritt ist, daß sie wirklich so aussieht wie auf den ersten Bildern, die von ihr veröffentlicht wurden. Dichtes schwarzes Haar umrahmt ein fast maskenhaft geschminktes, gleichwohl lebendiges Gesicht. Monica Lewinsky antwortete unumwunden, frei heraus und mit entwaffnender Offenheit. Warum sie ihr Verhältnis hatte verbergen wollen? „Weil ich fand, daß das niemanden etwas anging, weil ich in den Paula-Jones-Fall nicht hineingezogen werden wollte – und weil mir das Ganze peinlich war.“

Jede Seite las aus den vorgespielten Vernehmungsausschnitten heraus, was ihr in den Kram paßte. Die einen, daß Clinton und Lewinsky konspiriert hatten, um die Wahrheit vor den Anwälten der Paula Jones zu verschleiern, die mit richterlicher Genehmigung Clintons Umgang mit untergebenen Frauen erforschten, die anderen, daß Monica Lewinsky ein Eigeninteresse hatte, ihr Verhältnis mit dem Präsidenten nicht publik werden zu lassen.

Auch die Vernehmung der anderen Zeugen erbrachte keinen Durchbruch für die eine oder andere Seite. Washingtons schwarzer Superanwalt und Freund Clintons, Vernon Jordan, schien nicht anders als Monica Lewinsky den vernehmenden Anklägern überlegen zu sein. Gefragt, warum er – einer der mächtigsten Männer Washingtons – für ein so junges und vergleichsweise unbedeutendes Ding eine Stelle gesucht habe, antwortete er mit einer schallenden Ohrfeige für die weißen Männer aus dem Süden, die ihn befragten: „Als ich von der Universität als junger Jurist abging, hatte ich als schwarzer Anwalt nicht die geringste Aussicht beim Bund, in einem Bundesstaat oder in einer größeren Anwaltskanzlei eine Anstellung zu finden. Mein Sportlehrer war es, der mir eine Stelle als Rechtsanwalt bei einer Bürgerrechtsbewegung besorgte – für 35 Dollar die Woche. Seit der Zeit sehe ich es als meine Verpflichtung, jungen Menschen beim Start ins Berufsleben zu helfen.“

Der Prozeß gegen Clinton, der am Montag mit den Plädoyers fortgeführt und Ende der Woche mit der Urteilsverkündung zu Ende gehen sollte, wird wahrscheinlich wegen des Wunsches mehrere Senatoren, an der Beisetzung König Husseins von Jordanien teilzunehmen, unterbrochen werden – und sich doch noch länger hinziehen. Peter Tautfest