Beratungen in getrennten Räumen

Seit Samstag tagt die Kosovo-Konferenz in einem Schloß bei Paris. Belgrad hat nur eine zweitrangige Delegation entsandt. Die Kosovo-Albaner sind optimistisch  ■ Aus Rambouillet Erich Rathfelder

An dem über vier Meter hohen Eisenzaun, der das Schloß von Rambouillet bei Paris umgibt, wartet eine Menge aus Neugierigen, Journalisten, Fotografen und angereisten Kosovo-Albanern, um vielleicht etwas Neues zu erfahren. Doch alles Warten ist vergebens. Niemand zeigt sich. Die im Schloß tagenden Delegationen der Serben und Kosovo-Albaner sind in Klausur. Ohne einen Beschluß, der die Hoffnung auf Frieden im Kosovo nähren kann, sollen sie das Schloß nach dem Willen der internationalen Vermittler in den nächsten 14 Tagen nicht verlassen dürfen.

Dank der Handys sickern der Kontaktsperre zum Trotz einige Informationen aus dem streng gesicherten Gebäudekomplex. So zum Beispiel, daß die beiden Delegationen nicht an einem Tisch, sondern in unterschiedlichen Räumen tagen. Und auch, daß eine Arbeitsatmosphäre eingekehrt sei. Störmanöver wie der Bombenanschlag auf ein albanisches Geschäft, bei dem am Samstag abend in Priština drei Menschen starben, können die Konferenz nicht mehr kippen. Auch nicht der Versuch der serbischen Behörden, die Vertreter der Kosovo-Albaner am Abflug aus Priština zu hindern. Als die Delegationen schließlich in französischen Militärhubschraubern am Verhandlungsort auftauchten, war klar: Die internationale Seite läßt sich durch solche Störmanöver nicht von dem eingeschlagenen Kurs abbringen, beide Seiten zu Verhandlungen zu zwingen.

Zwar hat der Umstand, daß die serbische Seite nur zweitrangige Vertreter nach Frankreich geschickt hat, Aufsehen erregt. Ratko Marković, der Leiter der Delegation, ist stellvertretender Ministerpräsident Serbiens und ein treuer Gefolgsmann des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević. Außenminister Milutinović aber zeigte sich nicht. Auch der ehemalige Oppositionsführer Vuk Drašković kam nicht nach Paris. Daß die Hälfte der serbischen Delegation aus Minderheitenvertretern besteht – je einem Rom, Albaner, Muslim, einem Vertreter der in Kosovo lebenden Minderheit der Gorani und sogar einem sich „Ägypter“ nennenden Rom –, wurde von den internationalen Vermittlern hingenommen.

Alle wissen jedoch, daß hier nicht die Vertreter eines multikulturelle Serbiens anwesend sind. Serbische Journalisten gehen davon aus, daß die Zusammensetzung der Delegation ein Versuch Milošević' sei, die Angelegenheit Rambouillet in der eigenen Öffentlichkeit herunterzuspielen. In Belgrad wurden selbst Berichte zurückgehalten, wonach die als „Terroristen“ verschriene Kosovo-Befreiungsarmee UCK an den Verhandlungen beteiligt ist.

Verschwiegen wurde bisher zudem, daß während der Vorverhandlungen schon viele Konzessionen gemacht worden sind. „75 Prozent des Vorschlages der Kontaktgruppe wurde bereits in einem dreimonatigen Prozeß verhandelt“, erklärte der britische Außenminister Robin Cook, der mit seinem französischen Amtskollegen Hubert Vedrine Schirmherr der Konferenz ist, auf einer Pressekonferenz am Samstag. „Wir sind hier, jene Punkte zu verhandeln, die mit Pendeldiplomatie nicht gelöst werden können.“

Hat also Milošević schon längst einem Großteil der Forderungen der internationalen Seite und der Kosovo-Albaner zugestimmt? Die Autonomieregelung für eine dreijährige Überangszeit werde kommen, sagte Cook, es werde eine Selbstverwaltung von der Gemeindeebene bis hin zu einem Parlament geben, eine Polizeitruppe werde geschaffen, in der die albanische Seite vertreten ist. „Will sich jemand dagegen stellen, daß wir auf dem Aufbau demokratischer Institutionen bestehen?“ fragte Cook und blickte in die Runde. Keiner erhob einen Einwand.

Die Weichen sind gestellt, der Durchbruch für eine Friedensregelung aber ist noch nicht geschafft. Jetzt gehe es vor allem um die Stationierung einer internationalen Friedenstruppe, glauben serbische Journalisten. Wird die serbische Seite ihre Stationierung erlauben, wenn ja, wie könnte das Mandat der Truppe aussehen? Werden es Blauhelm-Soldaten sein oder Nato-Truppen, wie viele Soldaten werden die Kontingente der USA, Rußlands, der europäischen Mächte umfassen? Diese Punkte wurden bisher nicht geklärt.

Ohne eine internationale Friedenstruppe, darin sind sich die internationalen Vermittler einig, kann es keine Umsetzung eines Abkommens von Rambouillet geben. Ohne die Soldaten der Sfor gab es auch in Bosnien keine Möglichkeit, das Abkommen von Dayton durchzusetzen. Die internationalen Soldaten müssen ein ausreichendes Mandat erhalten, um das Aufflackern von Kampfhandlungen zu unterbinden. Dies ist die Lehre aus Bosnien, eine Erfahrung der internationalen Diplomatie.

Unter den Kosovo-Albanern ist die Stimmung gut. Sie wissen sich im Einklang mit den Forderungen der internationalen Seite. „Im Prinzip brauchen wir jetzt nur abzuwarten, wie sich die Dinge entwickeln“, schätzen kosovoalbanische Journalisten wie der Korrespondent der Tageszeitung Rilindija, Jusuf Buxhovi, die Lage ein, „die Fehler machen die anderen.“ Die inneren Auseinandersetzungen seien einer konstruktiven Haltung gewichen.

Im Gegensatz zu den Serben haben die Albaner ihre wichtigsten Politiker geschickt. Neben Präsident Ibrahim Rugova ist auch der Exilpremierminister Bujar Bukoshi angereist, die UCK ist mit dem Sprecher Jakup Krasniqi und den Kommandeuren Xhavit Haliti und Ram Buja stark vertreten. Persönlichkeiten wie der Chefredakteur der Tageszeigung Koha Ditore, Veton Surroi, und wie die Koordinatorin für Auslandskontakte, Edita Tahiri, sowie der politisch erfahrene Soziologieprofessor Fehmi Agani runden das Bild ab.

Einen großen Erfolg können die Kosovo-Albaner schon mit Beginn der Konferenz für sich verbuchen: Sie sind als gleichberechtigte Verhandlungspartner international anerkannt. „Jede demokratische Lösung ist gut für uns“ – darin sind sich die kosovoalbanischen Beobachter einig.