USA für Nato-Atomdoktrin

■ Auf der Wehrkundetagung in München verteidigt US-Verteidigungsminister die Nato-Erstschlagsdoktrin. Kanzler Schröder hält Debatte über einen A-Waffen-Einsatz für legitim

München (rtr) – Der von der Bundesregierung angeregte Verzicht auf die Nato-Option eines Ersteinsatzes von Atomwaffen stößt bei den Verbündeten auf Ablehnung. Auf der Münchener Konferenz für Sicherheitspolitik sagte US-Verteidigungsminister William Cohen am Samstag, die Allianz müsse sich das Recht vorbehalten, auf Bedrohungen und Angriffe mit „allen zur Verfügung stehenden Mitteln“ zu antworten. Kanzler Gerhard Schröder (SPD) bezeichnete dagegen eine Diskussion über die Ersteinsatz-Option als legitim.

Rußland lehnte auf der dreitägigen Tagung die Nato-Osterweiterung erneut ab. Breiten Raum nahm auf der Konferenz auch der Kosovo-Konflikt ein. Schröder nahm vor den 250 hochrangigen Experten aus Politik, Wirtschaft und Militär Außenminister Joschka Fischer (Grüne) in Schutz. Fischer habe die Initiative zum Verzicht auf die Nato-Ersteinsatz- Option in Übereinstimmung mit allen Mitgliedern der Bundesregierung gestartet. Wenn der Vorstoß erfolglos bleibe, werde das für die Mitgliedschaft in der Nato und die Bündnissolidarität aber ohne Konsequenz bleiben. Cohen sagte, es wäre ein schwerer Fehler, die Ersteinsatzoption aufzugeben. Jede Abweichung von dieser Linie schade. Auch CDU-Parteichef Wolfgang Schäuble sah keinen Anlaß, auf die Option eines Atomwaffen-Ersteinsatzes zu verzichten.

Schröder bekräftigte, daß Deutschland keine Alleingänge wolle. Das Land sei im Rahmen des Bündnisses auch bereit, Massenmorden wie in Bosnien „mit allen, und ich sage allen, zu Gebote stehenden Mitteln zuvorzukommen“. Für Deutschland gebe es keine Sonderwege. Das Land müsse bereit sein, sich als „normaler“ Alliierter an den entsprechenden Aufgaben zu beteiligen. In Ausnahmefällen könne bei Militäreinsätzen der Nato in Krisengebieten auch von dem Grundsatz abgewichen werden, daß dies über ein UNO-Mandat abgedeckt sein müsse. Schröder wie auch Cohen und Nato-Generalsekretär Javier Solana forderten, daß die Europäer in der Nato künftig mehr Verantwortung übernehmen müßten. Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) sagte, noch fehle es am gemeinsamen politischen Willen und an den Instrumenten für eine eigenständige Handlungsfähigkeit Europas. Cohen warnte davor, die nationalen Verteidigungsetats weiter zu kürzen.

Rußlands Vize-Außenminister Jewgeni Gusarow bekräftigte, daß sein Land die in Kürze anstehende Erweiterung der Nato um Polen, Tschechien und Ungarn weiterhin ablehne. Die Osterweiterung sei keine angemessene Antwort auf die neuen Realitäten. Gusarow warnte davor, Staaten der ehemaligen Sowjetunion in die Nato aufzunehmen. Eine Zusammenarbeit Rußlands mit der Nato wäre dann kaum noch möglich. Rumäniens Verteidigungsminister Victor Babiuc forderte dagegen die Nato auf, weiteren Ländern Osteuropas eine klare Beitrittsperspektive zu geben. Als Kandidaten nannte er neben Rumänien auch Slowenien. Noch vor dem Nato-Gipfel im April in Washington will die Nato Polen, Tschechien und Ungarn aufnehmen. Auf dem Gipfel wollen die dann 19 Nato-Mitglieder ein neues strategisches Konzept beschließen, das die Aufgaben neu regelt.