Stardust – die Reise zum Urstoff

Am Wochenende sollte eine Sonde der Nasa zum Rendezvous mit einem Kometen starten und Materie sammeln – in 284 Millionen Kilometer Entfernung  ■ Aus Washington Peter Tautfest

Bei Stardust werden die einen an Glenn Miller, andere vielleicht eher an den Astralleib der Neuplatoniker denken, die im Sternenstaub das Wesen aller Materie sahen. In den USA denkt man dieser Tage bei Stardust an eine Weltraummission, die den alten Philosophen von Aristoteles bis Paracelsus recht geben dürfte.

Fünf Jahre unterwegs zum Kometen Wild-2

Am Samstag mußte ein erster Starttermin wegen eines Problems mit dem Radar verschoben werden. Die Sonde an der Spitze einer jener neuen Delta-Raketen, die Boeing als billige Raumtransporter baut, sollte nun gestern nachmittag ins All starten. Nach einer Reise von fünf Jahren in einer Entfernung von 284 Millionen Kilometern von der Erde soll sie sich Anfang des Jahres 2004 dem Kometen Wild-2 auf 150 Kilometer annähern.

Der Weltraumschlitten, dessen Äußeres von zwei länglichen Sonnenkollektoren bestimmt ist und in dessen Inneren ein fingernagelgroßer Chip die Namen von 300.000 Raumfahrtfans ins All hinausträgt, wird sich in den Schweif des Kometen hineinmanövrieren, wie ein Wanderer sich zur Erfrischung unter einen Wasserfall stellt, und wird wie der Anhalter durch die Galaxie die Hand heben – nicht, um mitgenommen zu werden, sondern, um Sternenstaub aufzufangen. Eine Kapsel wird sich öffnen und ein Ding wie ein Tennisschläger wird sich in den vom Kometen ausgehenden Staubsturm hinausschieben. Es ist mit einem Gel bestrichen, in dem sich die Schweifpartikel wie Fliegen an einem Klebeband verfangen werden.

Der Chip speichert auch einen Brief von Fred Whipple, dem Erfinder der Theorie vom dreckigen Schneeball, der auf die kürzest denkbare Form die Beschaffenheit von Schweifsternen beschreibt: „Kometen bestehen aus einer Mischung von Stäuben und gefrorenen Gasen, die aus interstellaren Wolken ausgefällt wurden, als diese zu Sonnensystemen kollabierten.“

Kometen sind interstellare Wollmäuse, Abfall, der anfiel, als die durchs All wirbelnde himmlische Materie der Schwerkraft folgend sich zu Planeten und Sternen zusammenballte. Der Sternenstaub ist das Urmaterial, aus dem die sichtbare und unsichtbare Welt, aus dem Sonne, Mond und Sterne, die Bäume und der Himmel bestehen, in den sie hineinwachsen sowie die Menschen, die sich in deren Schatten versammeln – und selbst das Papier, auf dem die taz gedruckt ist – alles Sternenmaterie, die unterschiedliche Verbindungen eingegangen ist.

Die Stardust-Mission ist mithin eine Reise zu den Urgründen der Materie, zu jenem Stoff, aus dem auf mehr als eine Weise wir und die Welt gemacht sind. Kometen bergen nämlich nicht nur Reste der Urmaterie, sie haben möglicherweise auch der Erde ihre Beschaffenheit und ihre Natur gegeben. Wahrscheinlich haben Kometeneinschläge auf der Erde deren Vertiefungen mit Wasser gefüllt und so die Ozeane geschaffen. Und auch die Bauformen des Lebens sind als Wasser- und Kohlenstoffe durch Kometeneinschläge aus den Tiefen des Alls buchstäblich auf unsere Erde hereingeschneit.

Es ist auch nicht ausgeschlossen, daß Kometen primitive Formen des Lebens wie Viren und Bakterien bergen, eine Vermutung, die durch die Beobachtungen Auftrieb erhielt, daß mikrobielles Leben es in sehr extremen Umgebungen wie heißen Quellen und Eisgefilden aushält. Entsprechend werden die aufgefangenen Staubpartikel in einem Material eingefangen, das sie in eine glasartige Substanz einschweißt wie Fliegen in Bernstein.

Im Jahre 2006 dann wird das Raumschiff beim Vorbeiflug an der Erde seine Kapsel abstoßen, die in der Wüste von Utah niedergehen soll. Darin werden sich dann auch Proben interstellaren Staubs befinden, die Stardust auf seinem Weg durchs All eingefangen hat.

Die Sonde bringt Materie aus dem All auf die Erde

Nach der Bergung von Mondgestein im Rahmen der Apollo-Missionen wird das dann das zweite Mal sein, daß Materie aus dem Weltraum auf die Erde zurückgebracht wird – diesmal allerdings aus den erdfernen Tiefen des Alls.

Stardust ist die vierte der sogenannten Discovery-Missionen, die vergleichsweise preisgünstig (Stardust kostet 165 Millionen Dollar – die Raumstation 100 Milliarden Dollar) und in vergleichsweise kurzer Zeit Ergebnisse liefern sollen, die Aufklärung über die Beschaffenheit von Sonnensystem und Erde geben sollen. Dazu gehören der Pathfinder auf dem Mars, das Rendezvous mit einem Asteroiden und der Lunar Prospector, der den Mond umkreisend dessen Oberfläche vermißt.