Achtung Erich! Traumjob noch frei!

■ Wer rettet England? Nach dem Abgang von Hoddle sucht man auf der Insel verzweifelt und bisher vergeblich nach einem Nationaltrainer

Dublin (taz) – Tony Blair ist schuld. Hätte der Premierminister nicht öffentlich seinen Kopf gefordert, lamentierte der geschaßte englische Fußball-Nationaltrainer Glenn Hoddle, dann wäre er jetzt noch im Amt. Er verkennt freilich die Situation: Beim Fußballverband, seinem Arbeitgeber, hatte man schon seit geraumer Zeit die Messer gewetzt, denn Hoddle gab die Nationalmannschaft der Lächerlichkeit preis, als er die Gesundbeterin Eileen Drewery zu seiner Assistentin machte. Als er der Times ihre Theorie über Behinderte, die für Sünden aus einem früheren Leben büßten, in den Notizblock diktierte, lieferte er lediglich den Kündigungsgrund.

Drewery, so erinnert sich ein Spieler, fühlte den Kickern den Kopf, um ihr Karma zu ergründen. Dafür kassierte sie vom Fußballverband 75 Pfund pro Sitzung und Spieler. Nur Ray Parlour vom FC Arsenal ließ Drewery nicht an seinen Kopf. „Wenn ich einen Haarschnitt brauche, gehe ich zum Friseur“, sagte er. Parlour wurde nicht mehr ins Nationalteam berufen.

Gar nicht lustig findet der an Reinkarnation glaubende Hoddle inzwischen Reporterfragen, was er denn in seinem vorigen Leben angestellt habe, daß er mit dem Job als Nationaltrainer bestraft worden sei. Aufgebracht erwiderte er: „Für Millionen von Menschen wäre das ein Traumjob.“

Von denen, die nun dafür in Frage kämen, haben die meisten aber schon abgewunken, darunter Alex Ferguson, Arsene Wenger und Kevin Keegan. Erich Ribbeck wurde bisher nicht gefragt. So wird es wohl an Howard Wilkinson (55) hängenbleiben, dem technischen Direktor des Fußballverbands, der die Mannschaft eigentlich nur bis nach dem morgigen Freundschaftsspiel gegen Frankreich betreuen soll. Den Kader hatte Hoddle noch kurz vor der Entlassung aufgestellt, Wilkinson wollte daran nichts mehr ändern.

Die einzige Überraschung im Aufgebot ist Andy Cole: Er hatte Hoddle noch im November von der Titelseite der Sun als „Feigling“ gebrandmarkt, weil er ihn nicht aufgestellt hatte. Selbst auf Paul Gascoigne wollte er wieder zurückgreifen, hatte Hoddle angedeutet, um doch noch die EM- Qualifikation zu schaffen. Bisher stehen eine Niederlage in Schweden, ein Unentschieden zu Hause gegen Bulgarien und ein mühsamer Sieg in Luxemburg zu Buche.

Nach seinem Aufenthalt in einer Promi-Entziehungsklinik spielt Gascoigne zwar wieder, aber auf eine Berufung in die Nationalmannschaft muß er noch mindestens bis zum Qualifikationsspiel im März gegen Polen warten – obwohl der Observer bemerkte, daß selbst ein ausgepumpter Gascoigne, der in der Halbzeitpause auf ein Bier und eine Kippe in der Kneipe verschwindet, eine Verstärkung für das englische Team wäre. Wilkinson wird vermutlich auf den Rat hören, sollte er dann noch im Amt sein. Am Wochenende sagte er: „Ein Sieg über Frankreich am Mittwoch würde sich gut in meinem Lebenslauf machen. Wenn sie dann irgendwann einen Trainer in der Mongolei suchen, könnte ich mich ohne weiteres bewerben.“ Ralf Sotscheck