Abschied von König Hussein

Trauernde säumen die Straßen der jordanischen Hauptstadt, um ihrem Herrscher das letzte Geleit zu geben. Die offiziellen Besucher stellen das Protokoll vor manches Problem: Einige der Gäste sind verfeindet  ■ Aus Amman Karim El-Gawhary

Sie waren alle gekommen, um dem verstorbenen jordanischen König Hussein Ben Talal das letzte Geleit zu geben – vom Straßenkehrer in seiner verwaschenen orangenen Uniform bis hin zum Geschäftsmann, in feines dunkles Tuch gekleidet. Einige Kinder halten Bilder Husseins hoch, ein paar Jugendliche haben sich schwarze Bänder um den Kopf gebunden. Viele haben selbstgebastelte schwarze Fahnen dabei. Eine gute Stunde, bevor der Konvoi mit des Königs Sarg langsam die Straße herunterkommt, warten sie – meist schweigend.

Allein an dieser Straßenkreuzung westlich des Zentrums der jordanischen Hauptstadt, einem der Orte an der 24 Kilometer langen Strecke, an der der Sarg des Königs vorbei kommen soll, waren sie zu Hunderten zusammengekommen. Die Stimmung ist fast besinnlich. Während sich viele Männer mit Zigaretten aufzuwärmen versuchen, wickeln sich die Frauen zum Schutz vor der Kälte noch fester in ihre Mäntel. Ein paar Kinder sprechen über die bevorstehenden unerwarteten paar Tage schulfrei. Im Hintergrund rezitiert der Muezzin der nächstgelegenen Moschee schon seit den frühen Morgenstunden den Koran.

Die drei Hubschrauber, die den Konvoi von oben begleiten, zeigen an, daß der Trauerzug gleich um die Ecke kommen wird. Ein Offizier warnt seine Soldaten ein letztes Mal, die Balance zu halten: Niemand darf auf die Straße, aber auch niemand soll unnötig verärgert oder herumgeschubst werden, bleut er ihnen noch einmal ein. Der gute Vorsatz gelingt nur mit Mühe. Als sich die roten Jeeps der beduinischen Ehrengarde nähern, die den Sarg begleitet, zieht sich das Band der Menschen auf beiden Seiten der Straße unweigerlich zusammen. Viele beginnen zu schreien, andere rufen „Gott ist groß“ – doch die meisten verharren in Stille.

Als der Konvoi vorbeigezogen ist, bricht für kurze Zeit Chaos aus. Viele der Jugendlichen versuchen, dem Geleitzug hinterherzulaufen. Andere wollen auf Kleinlastwagen und Motorhauben von Pkws aufspringen, die ihrerseits versuchen, sich der Prozession anzuhängen. Alle Bemühungen bleiben im anschließenden Verkehrschaos stecken.

Manchem der Zurückgebliebenen stehen Tränen in den Augen. Ein Mann läßt sich an einem Laternenpfahl heruntergleiten und weint still vor sich hin. Doch die meisten verlassen hastig die Szene, um nach Hause zu eilen und den Rest des Begräbnisses vor dem heimischen Fernsehschirm zu verfolgen.

Als der Sarg des König eine Stunde später im königlichen Raghdan-Palast angekommen ist und aufgebahrt wird, beginnt für die jordanischen Organisatoren des Begräbnisses ein protokollarischer Alptraum. Zwischen manchen der Repräsentanten aus über vierzig Ländern, die langsam an dem offenen Sarg vorbeiziehen, herrscht alles andere als ein freundschaftliches Verhältnis.

Israels Präsident Eser Weizmann, Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, sein ehemaliger Kollege Jitzhak Schamir und Israels Außenminister Ariel Scharon mußten fein säuberlich von jenen arabischen Staatsrepräsentanten getrennt werden, die mit Israel keine friedlichen Beziehungen haben. Etwa von der syrischen Delegation, die zu aller Überraschung vom syrischen Präsidenten Hafis al-Assad persönlich angeführt wurde. Al-Assad, der allgemein nicht als besonders reisefreudig gilt und dessen Verhältnis zu dem verstorbenen König Hussein nicht immer zum besten war, hatte sich im allerletzten Moment auf dem Weg nach Amman gemacht. Dies ist an sich bereits eine politische Sensation.

Eine ganz besondere Note bekommt die Trauerfeier auch durch die Tatsache, daß der Auslandschef des israelischen Geheimdienstes Mossad, Ephraim Halevy, und einer der politischen Führer der palästinensischen islamistischen Organisation Hamas, Khaled Maschaal, am Sarg vorbeiziehen. Der israelische Geheimdienst hatte im Herbst 1997 versucht, den Hamas- Chef in Amman zu ermorden. Ein Versuch, der an der dilettantischen Herangehensweise der zwei für den Mord beauftragen Mossad- Agenten gescheitert war. Die beiden waren anschließend verhaftet worden.

Auch US-Präsident Bill Clinton dürfte alles daran gesetzt haben, weder mit der irakischen noch mit der libyschen Delegation in allzu engen Kontakt zu kommen. Brisant war auch die Tatsache, daß eine irakische Delegation zusammen mit den kuwaitischen Repräsentanten in ein und derselben Moschee für das Seelenheil Husseins gebetet haben.

Sorgen dürfte sich der jordanische Protokollchef auch um den kranken russischen Präsidenten Boris Jelzin gemacht haben. Der hatte sich gegen den Rat seiner Ärzte in seiner ersten Auslandsreise seit Herbst vergangenen Jahres auf den Weg nach Amman gemacht. Auf der Treppe zu dem Teil des Palastes, in dem der Sarg Husseins aufgebahrt ist, muß der russische Präsident von zwei Helfern gestützt werden. Anschließend muß er die Begräbniszeremonie aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes verfrüht verlassen.

Schließlich ist die Beerdigung zur Erleichterung der jordanischen Behörden ohne weitere Zwischenfälle zu Ende gegangen. Jelzin flog wieder zurück nach Moskau. Israelis und Syrer sind nicht aufeinandergestoßen. Noch mußte die kuwaitische Delegation der irakischen die Hände schütteln. Und König Hussein kann endlich in seinem Grab im königlichen Raghdan-Palast in Amman in Frieden ruhen.