NRW-Superministerium gekippt

■ Verfassungsgerichtshof: Ministerpräsident Clements Fusion von Innen- und Justizministerium war rechtswidrig. Trotzdem sollen Polizei und Justiz noch ein Jahr lang denselben Chef haben

Berlin/ Münster (taz/dpa) – Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) hat vor dem Landesverfassungsgerichtshof eine Niederlage erlitten. Das Gericht kassierte gestern die bundesweit einmalige Zusammenlegung von Justiz- und Innenministerium. Clement hätte die Entscheidung über die Verschmelzung der beiden Ressorts nicht alleine treffen dürfen, sondern vom Landtag absegnen lassen müssen, urteilten die Richter. Die Tragweite einer Fusion für die Stellung der Rechtsprechung verlange eine Diskussion vor den Augen der Öffentlichkeit. Damit gab das Gericht einer Klage der CDU- Opposition recht.

Der Regierungschef hatte das Superministerium unter Fritz Behrens (SPD) vergangenes Jahr als Kernstück seiner Verwaltungsmodernisierung gefeiert. Er nannte es „verfassungsrechtlich unangreifbar“. Ganz anders urteilten Richterverbände, Anwaltskammer, Polizeigewerkschaft, CDU, aber auch Clements grüne Koalitionspartner. Sie alle sahen die Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Judikative gefährdet. Die Konstruktion ist in der Europäischen Union einmalig. Zwar wurden die Justizressorts in Bremen und Mecklenburg- Vorpommern dem Regierungschef zugeschlagen. Denselben Chef wie die Polizei hat die Justiz allerdings nur in Düsseldorf. In Richterkreisen wurde Behrens deshalb zuweilen als „Polizeiminister“ verspottet. Zusätzliche Brisanz erhielt die Entscheidung, da in Düsseldorf traditionell auch der Geheimdienst direkt dem Innenministerium zugeordnet ist und es kein eigenständiges Landesamt für Verfassungsschutz gibt.

Der Verfassungsgerichtshof hatte nach eigenem Bekunden nicht zu entscheiden, ob die Fusion der beiden Ressorts verfassungswidrig ist, sondern nur, ob der Regierungschef darüber im Alleingang entscheiden kann. Allerdings äußerte Gerichtspräsident Michael Bertrams erhebliche Zweifel, ob die Fusion überhaupt mit der Verfassung vereinbar sei: „Die Trennung von Innen- und Justizministerium beruht auf gewachsener verfassungsrechtlicher Tradition.“ Sie garantiere die Unabhängigkeit der Justiz und verhindere gefährliche Interessenkonflikte.

Nach der Abfuhr behauptete Clement gestern, die Verfassungsrichter hätten „außerordentlich mutig“ juristisches Neuland betreten. Er kündigte an, die Ministerien organisatorisch „glasklar“ zu trennen. Dennoch sollen sie bis zur Wahl im nächsten Jahr von Behrens geführt werden. Er soll Innenminister bleiben und das Justizministerium kommissarisch führen. Dagegen verlangte der grüne Koalitionspartner von Clement eine „klare Entscheidung“. Fraktionschef Roland Appel sagte der taz: „Die beste Lösung wäre, noch vor der Wahl eine Justizministerin zu ernennen.“ Letztlich sei das allerdings die Entscheidung des Ministerpräsidenten. Falls die SPD versuchen wolle, auf dem parlamentarischen Wege einen erneuten Anlauf für eine Fusion der beiden Ressorts zu unternehmen, würden die Grünen nicht mitmachen. Georg Löwisch