Schließen die Kammerspiele?

■ Kunst vor dem Kadi: Nachbarn lassen dem Traditionstheater gerichtlich den Transport von Bühnenbildern untersagen

Wird man demnächst in den Kammerspielen mit einem minimalistischen Null-Bühnenbild vorlieb nehmen müssen? Der alte Streit zwischen dem Theater und den Nachbarn, der Wohnungseigentümergemeinschaft Hartungstraße 15, mündete gestern an der Zivilkammer des Landgerichts in einem Urteil, das einen geordneten Spielbetrieb unmöglich macht. Das Verdikt des Richters besagt nämlich, daß künftig keine Kulissentransporte mehr auf dem einzigen Weg zum Magazin erlaubt sind.

„Damit sind die Kammerspiele mutwillig und ohne Not in ihre größte Existenzkrise seit der Schließung des Hauses vor sechs Jahren gestürzt worden“, heißt es in einer Stellungnahme des Privattheaters. Unter diesen Umständen würde es keine Gespräche mehr über eine Verlängerung des Vertrages von Ulrich Tukur und Ulrich Waller über das Jahr 2000 hinaus geben. Im Gegenteil, selbst die Verlängerung über 1999 hinaus, stünde jetzt wieder zur Disposition.

Die beiden künstlerischen Leiter führten das Haus seit 1995 sehr erfolgreich zu einer Platzausnutzung von 84 Prozent in der letzten Spielzeit. Die Begründung dieses „widersinnigen und kunstfeindlichen Urteils“, so das Team der Kammerspiele, ist erst in einigen Wochen zu erwarten. Fest steht, daß das Gewohnheitsrecht der Nutzung nicht zum Tragen kam. Auch das Kompromißangebot des Theaters, die Anlieferung der Kulissen auf bestimmte Zeiten zu beschränken, lehnten die Nachbarn ab.

Seit Gründung der Kammerspiele im Jahr 1945 durch Ida Ehre nutzt das Theater den Hintereingang ihres Gebäudes für die Anlieferung der großformatigen Bühnenbilder und durchquert dabei seitdem einen Teil des Nachbar-grundstücks. Aus Platzmangel können die Kulissen nicht im Haus hergestellt und gelagert werden.

Die Kammerspiele wollen Berufung einlegen und können sich der Unterstützung durch die Kulturbehörde sicher sein, wie ein Sprecher mitteilte: „Selbst wenn die Berufung scheitert, soll nach unserem Willen der Theaterbetrieb weitergehen.“ Notfalls werde man sich um finanzielle Unterstützung beim Bau eines neuen Zugangs bemühen, für den von Seiten der Kammerspiele „kein Geld da ist“. In dem Falle käme es zu einem Konflikt mit dem Denkmalschutzamt. Denn sollte an der Vorderseite ein kulissentauglicher Eingang geschaffen werden, müßte in die denkmalgeschützte Fassade eingegriffen werden. gyc/dpa