Schlagende Verbindungen

■ „Zakir and his Friends“ trommeln sich von Bombay bis S.F. durch. Ein toller Musikfilm

„Step across the border“ hieß jener Megakultfilm von Nicolas Humbert und Werner Penzel (1992) über den Megakult-Avantgardegitarristen Fred Frith. Seinem dezent esoterischen Namen wurde er ganz pragmatisch gerecht, indem er die Grenze zwischen Musik und Alltag durchbrach. So meditierte der Film zum Beispiel liebevoll über den Rhythmus der Müllautoklappen beim Mülltonnenschlucken.

Auch der indische Tablatrommler Zakir steppte schon einmal across the border, „auf die andere Seite“. Und zwar beim „Chilla“. Das ist ein 40tägiges Ritual für Musiker. Diese erwerben dabei an einem abgelegenen Ort eine Art Meisterbrief, indem sie angeblich täglich etwa 16 Stunden ununterbrochen musizieren. Vielleicht kann der Mann deshalb in L. Leonhardts Film „Zakir and his friends“ so schön verzückt die Augen gen Himmel wegdrehen, wenn er mit der Handfläche oder mit einzelnen Fingern wie ein Klavierspieler seine Trommeln bearbeitet. Zakir beherrscht sein Instrument wie ein Fakir die Nadeln.

Strukturell ist Leonhardts Film fast schon ein Plagiat des Fred-Frith-Films. Nicht zu seinem Schaden. Assoziativ vagabundiert er von Konzertsälen und Proberäumen zu Straßenszenen, Dorffesten, venezolanischem Karneval oder Landarbeitern. Und plötzlich guckt man aus einem Flugzeug auf eine wabernde Wolkendecke, sinniert über das Meer oder fährt des Nachts über die Golden Gate Brigde. Leonhardts Film ist ein Reisefilm. Schließlich zählen zu Zakirs Friends ein Saxophonspieler in den USA, eine japanische Kodotruppe, balinesische Bambusxylophonisten und Musiker aus Burkina Faso. Freunde außer sich. Musik ist Bewegung, lautet ein Lieblingssatz von Musiktheoretikern, und deshalb sitzt die Kamera ständig in Autos und Zügen oder schwenkt gelassen wie die Kamera von Kiarostamifilmen über Natur und Tempelanlagen.

Die Welt ist Rhythmus, lautet die Grundthese des Films. Überall wird getrommelt. Beim Einrammen von Pfählen, beim Dreschen von Hülsenfrüchten, beim Niedersäbeln von Blattpflanzen. Und selbst wenn Kids sich Blechdosen unter die Füße schnallen und damit herumstolzieren oder wenn sie sich vergnüglich auf Backen und Hinterkopf schlagen, ist das eine Vorform von dem, womit der Profimusiker nebenan sein Geld verdient.

Eine bildsame Dokumentation über ethnische Musik will dieser Film nicht sein. Fast nichts erfährt man über Musikerbiografien, über die Geschichte von Instrumenten und Gattungen, über die liturgische Funktion von Musik. Trotzdem ist es hochinteressant zu sehen, wie bei stirnbandbewehrten, in Rambomanier stierblickenden Kodotrommlern die Grenzen zwischen Kampfsport, Musik, Therapie und Religion verschwimmen.

Den Sambatrommlern des Bremer Karnevals ist von einem Besuch des Filmes abzuraten. Im Angesicht der Meisterschaft von Zakir & Friends würden sie sich vermutlich in Waldhöhlen vergraben und nie wieder hervorkriechen. „Wäre das zu bedauern?“ fragt Kritikerkollege Jürgen Francke. bk

Im Cinema, 19h. Heute schon ab 18.45 Uhr mit 30 Minuten bremensisch-brasilianischer Live-Musik zur Einstimmung vorweg