Kunst im Nebel der Subversion

■ Viel Spekulationen und Verschwörungstheorien: Lutz Dammbeck begibt sich mit seinem Film „Das Meisterspiel“ auf die Fährte gescheiterter Existenzen im zeitgenössischen Kunstbetrieb

Vor zwei Wochen begann in Graz der Prozeß gegen Franz Fuchs. Die Bilanz seines Briefbombenterrors: vier tote Roma in Oberwart und weitere zehn Verletzte. Dem ehemaligen Wiener Bürgermeister Helmut Zilk fehlen seit dem Attentat drei Finger seiner rechten Hand. Unklar ist allerdings, ob Fuchs, der behauptet, im Auftrag der Bajuwarischen Befreiungsarmee (BBA), einer um die Reinhaltung der deutschösterreichischen Rasse bemühten Geheimorganisation, gehandelt zu haben, ein psychopathischer Einzeltäter ist. Steckt womöglich eine rechtsradikale Gruppe hinter den Anschlägen? Mehr noch: Gibt es in Österreich ein weitverzweigtes Netz von Neonazis, die mit Gewalt gegen Ausländer, linksliberale Politiker und Künstler vorgehen?

Was wäre, wenn...? Lutz Dammbeck ist für seinen neuen Film von allerhand Spekulationen und Verschwörungstheorien ausgegangen. Zuvor hatte der gebürtige Leipziger in „Dürers Erben“ prominente DDR-Künstler und ihre Biographien zwischen Propaganda und Retro-Klassizismus verhandelt. „Das Meisterspiel“ führt nun eine undurchsichtige Gemengelage vor, in der Leute sterben – und Bilder geschändet werden.

Etwa die 27 Gemälde des Wiener Akademieprofessors Arnulf Rainer, die 1994 von Unbekannten in seinem Atelier schwarz übermalt wurden. Am Tatort blieb nur ein Statement zurück: „Und da beschloß er, Aktionist zu sein.“ Der Satz wandelt ein Zitat Hitlers aus „Mein Kampf“ ab, der nach seiner Ablehnung an der Kunstakademie in die Politik wechselte. Dammbeck macht sich im zeitgenössischen Kunstbetrieb auf die Fährte ähnlich gescheiterter Existenzen. Nüchtern kommentiert Hannelore Hoger aus dem Off die raffiniert eingefädelte Schnitzeljagd, bei der es Dammbeck um die Frage geht: „Wer ist der ,Herr der Ringe‘, die sich um das Geschehen gelegt haben?“

Minutiös wird die Tat rekonstruiert und nach Motiven geforscht. Immerhin könnte Rainer, der ja mit „Übermalungen“ bekannt wurde, den Skandal selbst inszeniert haben. Vielleicht wollten sich aber auch bloß ein paar Studenten einen Jux mit ihrem Prof machen. Weit kommt der Detektiv Dammbeck mit dieser These allerdings nicht, am Ende lösen sich alle Spielarten der Kunst im Nebel der Subversion auf.

Auf der anderen Seite dringt er mit seinem Film tief in die Kreise der neuen Rechten ein. In Hamburg stöbert Dammbeck den Ex- SDS-Aktivisten Reinhold Oberlercher auf, der sich heute als Chefideologe eines Vierten Reichs versucht. Seine Analyse: Die Toleranz moderner Kunst wird zu einem Exitus führen, gegen den die Deutschen ankämpfen müssen. Den Feind sieht Oberlercher in der jüdischen Kultur.

Für solche antisemitischen Äußerungen wurde er in den Neunzigern tatsächlich nach Wien eingeladen, um an der juristischen Fakultät Vorträge zu halten. Seine damaligen Jünger sind mittlerweile bei den Freiheitlichen um Jörg Haider organisiert. Einige haben sich im „Konservativen Kreis“ eingerichtet, rekrutieren auf Techno-Partys Nachwuchs – oder versuchen sich in bildender Kunst, um eine Art rechte Moderne im Kulturbetrieb zu installieren.

Einer von ihnen heißt Thomas Böhm-Ermolli, hat bei Rainer studiert, später Ecstasy geschluckt und 1996 Selbstmord begangen. Seinen Freitod inszenierte er im Sterbehaus von Beethoven und Weininger. Nach anderthalb Stunden ist es am wahrscheinlichsten, daß er die Bilder von Rainer übermalt hat. Aber hätte er nicht ebensogut Menschen in die Luft sprengen können? Die Hinterbliebenen sagen: nein, der Film sagt: vielleicht. Dieser Sinn fürs Mögliche macht Dammbecks Recherche über den Kunstrahmen hinaus brisant. Harald Fricke

Forum: Heute, Akademie der Künste, 14 Uhr