Is there no one to serve a gentleman?

■ Wenn Zwerge zu sehr drängeln: „Das Zwergen-Zerwürfnis“ bedroht das britische Empire

Humor ist ein Schreckensmeister aus Deutschland. Ein gelegentlicher Blick in die Satireecke der Sonntagsbeilagen genügt, um an diesen Tatbestand erinnert zu werden. Schwarzer Humor wird hierzulande immer noch mit Schadenfreude verwechselt, und nicht zufällig hat Breton nur mit Mühe sechs deutsche Dichter finden können, die es verdienten, in seine „Anthologie des Schwarzen Humors“ aufgenommen zu werden. Wie glücklich kann sich dagegen Britannien schätzen, das die Monty Pythons hervorgebracht hat.

Die Monty Pythons sind nicht einfach nur ein Glücksfall der Geschichte, sondern können auf eine Tradition zurückblicken, wie etwa auf John Audrieu Bingham Michael Morton (1893–1975), der unter dem Pseudonym Beachcomber von 1924 an, 51 Jahre lang, im Daily Express sechs Tage die Woche in seiner Kolumne „By the Way“ das englische Publikum mit skurrilen Glossen erfreute. Eigentlich war J.B. Morton Historiker, aber zu einem der ganz Großen in der Ahnengalerie berühmter angelsächsischer Satiriker stieg er mit seinen abseitigen Kurzgeschichten auf, in denen er ein ganzes Pandämonium schräger Figuren mit kuriosen Namen wie Dr. Strabismus of Utrecht oder Mrs. Florence McGurgle aufleben ließ, die in der englischen Öffentlichkeit irgendwann so beliebt waren wie Alice im Wunderland oder Pu der Bär. J.B. Morton selbst könnte seiner eigenen Kolumne entsprungen sein, denn wie berichtet wird, brachte der rotgesichtige Gnom „Gläser, Flaschen und Wirte durch brachiale Stockschläge auf die Theke zum Zittern“ und schrie dabei: „Stinking fish! Is there no one here to serve a gentleman?“

Ein kleiner Ausschnitt des 18 Bände umfassenden Werks mit Beachcomber-Kolumnen liegt nun in einer sorgfältig edierten Ausgabe auf deutsch vor, herausgegeben vom Benjamin-Kenner und dem auf Autoren- und Verlagsrecht spezialisierten Freiburger Anwalt Albrecht Götz von Olenhusen: eine Gerichtsposse mit dem Titel „Das Zwergen-Zerwürfnis“, in der „eine Mrs. Tasker beschuldigt wird, wiederholt bei einer gewissen Mrs. Renton geklingelt zu haben, um dann durch die geöffnete Türe ein Dutzend rotbärtiger Zwerge in den Hauseingang hineinzustoßen und dort zu deponieren.“

Zur Rede gestellt, antwortet der Zwergen-Anführer, daß er keine Ahnung hätte, warum Mrs. Tasker das täte, aber daß er und seine Kollegen immer einen Schilling dafür bekämen. Und dann entwickelt sich wohl eine der merkwürdigsten Gerichtsverhandlungen, über die in der Literatur je berichtet wurde. Die Sache ist dabei ganz unstreitig, gerät aber völlig aus den Fugen, denn die gegnerischen Parteien versuchen, sich gegenseitig mit bis zu 1.200 Zeugen quantitativ zu übertrumpfen.

Ein absurder Höhepunkt ist dabei der Auftritt des Admirals Sir Ewart, der auf die Frage, was er zum Fall mit den Zwergen zur Aufklärung beizutragen habe, ein Bündel Papiere aus der Aktentasche hervorzuzerren und zu deklamieren beginnt: „Die Macht der Marine hat unser Königreich erbaut. Die Macht der Marine muß es erhalten. Britannia entstieg nicht den azurnen Fluten, um gleich wieder zu versinken...“ Daraufhin bricht der Saal, wie Mr. Beachcomber protokolliert, „in Begeisterungsstürme aus, und mehrere Damen schwenkten kleine britische Fahnen“.

Auch andere Zeugen zeigen sich ahnungslos oder renitent, so daß an einen geordneten Prozeßverlauf nicht zu denken ist und der Richter Mr. Justice Cocklecarrot schließlich entnervt das Handtuch schmeißt. Im gestrengen Aufseher über Recht und Ordnung erwacht nun der kleine Anarchist, der nur noch einen Ausweg sieht, nämlich alle relevanten Papiere, „sofern in einem solchen Fall überhaupt etwas als relevant bezeichnet werden kann“, mittels einer listigen Versuchsanordnung in Brand zu setzen. Und dann stellt man sich Mr. Cocklecarrot vor, wie er händereibend und vor sich hinkichernd das Feuerchen mit seiner Perücke füttert. „Binnen einer Stunde war das Gerichtsgebäude niedergebrannt.“

Das wunderbar schräge Büchlein hat nur einen Nachteil: Es ist viel zu schmal. Klaus Bittermann

Beachcomber: „Das Zwergen- Zerwürfnis“. Herausgegeben, übersetzt und mit einem Nachwort von Albrecht Götz von Olenhusen. Litzelstetter Libellen, Ziemlich Neue Folge (ZNF) Nr.11, Abteilung Handbüchlein und Enchiridia, Lengwil am Bodensee 1998, 80 Seiten, 22 DM.