Verordneter Müßiggang

■ Was tut Deutschland am Sonntag? Für den heutigen Arte-Themenabend "Wohnwelten" hat uns eine kleine Doku drei "Sonntagsbesuche" abgestattet

Was ist unspektakulärer als Deutschland? – Ein Sonntag in Deutschland. Und was könnte da unspektakulärer sein als Andreas Fischers Zwanzigminüter „Sonntagsbesuche“? (Wobei unspektakulär hier auf gar keinen Fall mit uninteressant verwechselt werden sollte, jedenfalls nicht, was das Dokumentatiönchen anbelangt...)

Drei Besuche hat Fischer gemacht im Mai des vergangenen Jahres, im Auftrag von Arte und ZDF, irgendwo in Berlin und mittem im heutigen Themenabend „Wohnwelten – Zu Hause ist es am schönsten“: Jeweils einen Sonntag lang hat er sich in der Studentenwohnheim-WG von Tom und Kerstin umgeschaut, im ausgebauten Dachgeschoß der Schaff-Nielebocks und in der Zweizimmerwohnung von Oma Gertrud. Unter der Woche (wir erfahren es nicht) könnten sie Klempner, Gartenbauingenieur, Nobelpreisträger oder Astronautin sein. Sonntags aber ist Sonntag. In Deutschland. Und wohl nirgends ist der deutsche Sonntag präsenter als daheim.

So mögen die postpubertäre Zufallsgemeinschaft, die politisch- korrekte Jungfamilie und die verwitwete Kleinbürgerin (montags, dienstags, mittwochs...) noch so verschieden sein in ihren Lebenserfahrungen und -entwürfen – sonntags wird gewohnt. Am Sonntag gehen WG und Familie barfuß; bekommen WG und Witwe Besuch; machen es sich Witwe und Familie auf dem Balkon bequem – im Liegestuhl mit der Lektüre der Fernsehillustrierten oder mit dem Gameboy in der Hängematte. Doch was macht das, scheint Fischers Miniaturdoku zu sagen, wenn sie morgens, mittags, abends mal hier, mal dort hinschaut, letzlich für einen Unterschied?

Normalität ist schnell trostlos. Wenn „Sonntagsbesuche“ beim abendländisch verordneten Müßiggang zuschaut, dann wird es immer wieder still bei Kerstin und Tom, bei Oma Gertrud und sogar bei den Schaff-Nielebocks, wenn Sohn Marius nicht gerade mit seinem Kleinkindgeschrei das freizeitgestaltete Chill Out aufmischt. „Es gibt Sonntage, da lauf' ich den ganzen Tag im Morgenmantel herum. Da geh' ich morgens ins Bad und sag': ,Guten Morgen, Gertrud. Was mach'n wa heute? Heute mach'n wa ganix.‘ So, und dann wasch' ich mir die Hände und mein Gesicht und dann geh' ich erst mal frühstücken, wa? Dann is' dit so'n richtig schöner Gammelsonntag“ – seufzt immerhin Gertrud. An einem Sonntag in Deutschland, wenn nichts geschieht und das Leben keinen Sinn hat – weder fürs Tagwerk noch für den Supermarkt – und bei der Studi-WG nur noch eine Aubergine im Kühlschrank liegt. Christoph Schultheis

Der Arte-Themenabend „Wohnwelten“: „Gestern, morgen, sonntags Budapest“ (Doku/Ungarn), 20.45 Uhr; „26 Bathrooms“ (Kurzfilm/England), 21.20 Uhr; „Sonntagsbesuche: Berlin“ (s.o.); „Zu Hause ist anderswo“ (Doku/ Frankreich), 22 Uhr; „Ewiger Sonntag Helsinki“ (Doku/Finnland), 22.45 Uhr und „Die Ameisenstraße“ (Spielfilm/Österreich), 23.15 Uhr