„Xanana“ Gusmao auf dem Weg in die Freiheit

Chef der Unabhängigkeitsbewegung Ost-Timors steht nur noch unter Hausarrest und kann zur Konfliktlösung beitragen  ■ Von Jutta Lietsch

Bangkok (taz) – Ältere Bilder zeigen ihn als Revolutionär – mit Baskenmütze und Bart ähnelte er sogar Che Guevara. Neuerdings aber zeigen ihn die Zeitungen immer häufiger als seriösen Herrn mit Schlips und Kragen: José Alexandre „Xanana“ Gusmao, seit 1992 als Führer der osttimoresischen Rebellenbewegung Fretilin in Haft und eine Schlüsselfigur im Konflikt um das 1976 von Indonesien annektierte Ost-Timor.

Gestern durfte er in ein extra hergerichtetes Haus umziehen, wo er nun unter fortgesetzter Bewachung Besucher empfangen, fernsehen und telefonieren kann. Demonstrativ empfing ihn Justizminister Muladi. „Xanana wird hier nicht nur herumsitzen, sondern er wird arbeiten“, sagte der Minister, „um uns zu helfen, das Ost-Timor- Problem zu lösen.“ Bereits in den letzten Monaten in Jakartas Cipinang-Gefängnis hatten die Behörden Gusmao gestattet, Journalisten und Diplomaten zu empfangen. Indonesische Militärs und Politiker ließen ihn zu Gesprächen holen – ein dramatischer Wandel nach den Jahren der Isolation.

13 Jahre lang hatte die indonesische Armee ihren Feind Nr. 1 in den Bergen und Wäldern Ost-Timors gejagt, bis Gusmao schließlich im November 1992, nierenkrank und tief erschöpft, in der Hauptstadt Dili in die Falle ging. In einem unverhüllt unfairen Prozeß verurteilten ihn die Richter 1993 wegen Rebellion und unerlaubten Waffenbesitzes zunächst zu lebenslanger Haft. Nach internationalen Protesten wandelte der damalige Präsident Suharto die Strafe in 20 Jahre Gefängnis um. Gusmao, Sohn eines armen und kinderreichen Lehrers, war schon als Jugendlicher so rebellisch wie lebenslustig: Statt sich dem strengen Regime der katholischen Padres in der Schule zu beugen, schrieb er lieber Gedichte oder ging mit den Mädchen schwimmen, erinnerte er sich später. Er flog aus der Schule, schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch, besuchte Abendkurse, veröffentlichte Zeitungsartikel und Lyrik und arbeitete später im Amt für Statistik der osttimoresischen Hauptstadt Dili, um für seine junge Familie zu sorgen. Mit seiner Frau Emilia hat er zwei Kinder.

1974 schloß er sich der „Frente Revolucionaria de Timor Leste“ (Fretilin) an. Sie erklärte nach dem plötzlichen Abzug Portugals aus seiner vernachlässigten Kolonie am 27. November 1975 die Unabhängigkeit Ost-Timors. Während sich rivalisierende Gruppen noch blutig bekämpften, marschierten Indonesiens Truppen ein und versuchten, die Aufstände brutal zu ersticken: 200.000 Menschen, fast ein Drittel der Bevölkerung, kamen ums Leben. 1979 trat Gusmao an die Spitze der dezimierten Widerstandsbewegung und belebte sie. Mit wenigen hundert Guerillakämpfern stemmte er sich gegen bis zu 20.000 Besatzungssoldaten, während im Exil Osttimoresen wie der Friedensnobelpreisträger José Ramos Horta die Welt informierten.

Der charismatische Rebell Gusmao gehört inzwischen zu den besonnensten Kräften Ost-Timors. Aus Furcht vor neuem Bürgerkrieg rief er Indonesiens Regierung auf, nicht nur ihre Soldaten abzuziehen, sondern auch Milizen und Bürger der Inselhälfte zu entwaffnen. „Ich glaube, um die Probleme Ost-Timors zu lösen, müssen wir zuallererst ein friedliches Klima schaffen“, sagte er gestern.

Seit Präsident B.J. Habibie im Januar erstmals Ost-Timors Unabhängigkeit nicht mehr ausschloß, scheint sie greifbar zu sein. Doch Gusmao, den viele Anhänger mit Nelson Mandela vergleichen und als künftigen Präsidenten betrachten, warnt: Das politisch zerrissene und wirtschaftlich rückständige Ost-Timor brauche mindestens fünf Jahre, um sich auf die Unabhängigkeit vorzubereiten. Gusmao: „Ich spüre, daß man mir eine sehr, sehr schwere Aufgabe übertragen hat, und ich muß sie übernehmen, deshalb bin ich hier.“