Eine Agenda für Nachhaltigkeit

■ Umweltschützer fordern ökologische Kriterien für die EU-Agrarreform. Doch selbst bescheidenen Ansätzen droht das Aus

Berlin (taz) – Für blühende Landschaften soll die Agenda 2000 sorgen: Umweltschützer und Ökolandbauverbände fordern eine EU-Agrar- und Strukturpolitik, die die ländlichen Räume der Union ökonomisch stabilisiert, sie sozial und ökologisch intakt hält. Die bisherige Grundausrichtung der gemeinsamen Agrarpolitik dürfte mit diesen Vorstellungen nicht zu vereinbaren sein.

Der Vorschlag der EU-Kommission zur Agrarreform im Rahmen der Agenda 2000 enthält bestenfalls einige zaghafte Ansätze, eine Politik der nachhaltigen Entwicklung zu ermöglichen. So könnten Ausgleichszahlungen und Beihilfen davon abhängig gemacht werden, daß der Empfänger bestimmte ökologische und soziale Kriterien einhält. Ein anderer Vorschlag der Brüsseler ist, aus dem Agrarhaushalt eine Strukturpolitik für den ländlichen Raum zu finanzieren.

Doch die Gefahr droht, daß die bescheidenen ökologischen Ansätze der Agenda-2000-Agrarreform zerrieben werden: Zwischen dem machtvollen Beharren von Interessenvertretern der Agrarindustrie, die bisherige Förderpolitik fortzusetzen, und dem Druck der Sparforderungen aus den Finanzministerien der Mitgliedstaaten könnte der Absatz „Ökologie“ der Reform gestrichen werden, befürchten grüne EU-Parlamentarier.

Eine Kernforderung der Natur- und Umweltschützer ist, Prämien, Zuschüsse und Beihilfen nur zu vergeben, wenn bestimmte ökologische Standards gewahrt sind. So müßte ein Schweinegroßmastbetrieb erklären, wie die Gülle entsorgt werden kann, ohne daß das Grundwasser belastet wird. Sehr viel leichter würde der Unbedenklichkeitsnachweis einem Betrieb fallen, der extensive Weidewirtschaft betreibt.

Doch Beihilfen und Stützungszahlungen können im Konzept einer nachhaltigen Entwicklung nur eine Notlösung sein. Erforderlich sei es, sich selbst tragende Strukturen zu entwickeln. Großen Wert legen Umweltschutzverbände und Vertreter der Ökolandwirte deshalb auf einen EU-Fonds „Ländliche Entwicklung“. Aus diesem Fonds soll etwa der Aufbau lokaler und regionaler Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen finanziert werden.

Ordnungspolitisch, so fordern die Grünen im Europäischen Parlament, müsse die EU den Rahmen für einen „Wettbewerb um Qualität“ schaffen. Das heißt, es müßte eine Reihe von ökologischen und sozialen Kriterien festgelegt werden, die sich nicht nur auf Eigenschaften des landwirtschaftlichen Produkts, sondern auch auf die Umstände seiner Herstellung beziehen. Dahinter steht folgende Überlegung: Wird im Herstellungsprozeß die Umwelt verschmutzt oder der Lebensraum bedrohter Tier- und Pflanzenarten vernichtet, dann muß sich das im Preis des Produkts ausdrücken – oder umgekehrt muß eine Produktion ohne negative Umweltfolgen finanziell unterstützt werden. Unter solchen Rahmenbedingungen wäre auch die arbeitsintensive ökologische Landwirtschaft konkurrenzfähig.

Eine ökologische Ausrichtung der EU-Agrarpolitik hätte dadurch nicht nur positive Folgen für den Erhalt der Umwelt. Sie würde darüber hinaus dafür sorgen, daß in strukturschwachen ländlichen Gebieten Arbeitsplätze in arbeitsintensiven Betrieben erhalten bleiben oder sogar neu geschaffen werden.

Die Erfordernisse des Umweltschutzes müßten in die gemeinsame Agrarpolitik einbezogen werden. Das gebietet der Amsterdamer Vertrag durch den neuen Artikel 6 des EG-Vertrages. Ebenso verpflichtet sich die Gemeinschaft in dem in Kürze in Kraft tretenden Amsterdamer Vertrag auf eine Politik der nachhaltigen Entwicklung. Die nun anstehenden Schlußverhandlungen zum Agrarpaket der Agenda 2000 werden zur Nagelprobe, wie ernst die EU-Staaten diese Vertragspflichten nehmen. Percy Ehlert