Wilde Ehe in Rot-Rot – nun mit Ehevertrag

■ SPD und PDS haben in Sachsen-Anhalt die Grundlinien ihrer Politik schriftlich fixiert

Magdeburg (taz) – „Der Bundesrat wird wieder interessanter“, freut sich Matthias Gärtner. Der Magdeburger PDS-Fraktionsvize meint damit nicht etwa das Ergebnis der Hessenwahl, sondern den jüngsten Coup seiner Partei: Nächste Woche wird im Landtag ein Entschließungsantrag eingebracht, der erstmals gemeinsame politische Ziele von regierender SPD und tolerierender PDS für die nächsten Jahre festschreibt.

In dem Antrag sind nicht nur landespolitische Prämissen fixiert. Gleich die ersten drei Punkte – daher Gärtners Freude – behandeln das bundespolitische Verhalten der SPD-Regierung. Demnach wird sich Sachsen-Anhalt im Bundesrat unter anderem dafür einsetzen, daß die Erbschaftsteuer auf große Vermögen erhöht, die private Vermögensteuer wiedereingeführt und die Finanzverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen gerechter wird. „Wir wollen da mit den Mecklenburger Genossen zusammenarbeiten“, so Gärtner.

Auf den Inhalt hatten sich die Fraktionsspitzen geeinigt. Am späten Dienstag stimmten die Fraktionen – die PDS einstimmig, bei der SPD mit einer Enthaltung und kleinen redaktionellen Änderungen – dem Text zu. Es gilt als sicher, daß der Entschließungsantrag kommende Woche im Landtag verabschiedet wird. Die SPD hat praktisch keine andere Wahl, als zuzustimmen: Der 99er Etat soll verabschiedet werden, DVU und CDU werden dem Haushaltsgesetz nicht zustimmen. Die PDS macht ihre Zustimmung vom Passieren des Antrags abhängig.

Von Erpressung will Jens Bullerjahn, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD, nichts wissen. „Nach den ganzen Sparbeschlüssen, die die PDS jetzt mitträgt, ist der Antrag verständlich“, erklärte er gegenüber der taz. Schließlich müsse die PDS ihrer Klientel eine Option bieten, nach der sich eine Tolerierung weiterhin lohnt. Nicht der bundespolitische, sondern der landespolitische Teil des Antrags sei jedoch der wesentliche. Darin ist festgelegt, wie in den nächsten Jahren Mittel gespart oder umverteilt werden.

„So ein parlamentarischer Entschließungsantrag hat mehr Gewicht als ein Koalitionsvertrag“, sagt Gärtner. Warum dann nicht gleich eine Koalition? Um das zu erklären, hat die PDS die Koalition in Mecklenburg als „Schweriner Modell“ in ihren politischen Sprachgebrauch aufgenommen. „Das Schweriner Modell konkurriert mit unserem Magdeburger Modell“, glaubt Gärtner. Man werde sehen, welche Form von Regierungsbeteiligung der PDS die effektivere ist. Bislang sei es der PDS in Sachsen-Anhalt jedenfalls gelungen, Hunderte von Millionen Mark umzuschichten. „Im Ergebnis haben wir mehr erreicht, als vom Schweriner Koalitionsvertrag zu erwarten ist“, so Gärtner.

„Jetzt rauft sich zusammen, was sich zusammengehörig fühlt“, befand CDU-Landeschef Wolfgang Böhmer. Ihn wundere nicht, daß die wilde Ehe nun auch mit einem Ehevertrag ausgestattet ist. Auch Bullerjahn glaubt, daß „die ganzen internen Debatten bei der PDS um Koalition, Tolerierung mit oder ohne Vertrag nun zu Ende sind“. Die nächsten drei Jahre werde zweifelsfrei in der jetzigen Konstellation gearbeitet, und zwar „reibungsfreier, als es sich immer nach außen hin darstellt“. Nick Reimer