Novalis und Hitler

■ „Novalis“, eine Collage aus Romantik und 3. Reich

Olympiastadion. Bekannt als bedrohliche Arena faschistischer Inszenierung. Doch über dem gigantischen Kreisrund schweben Hammer und Sichel. Rotumflorte Nebelschwaden steigen auf. Inmitten dieses absonderlichen Szenarios finden zwei Liebende zueinander, denen im wirklichen Leben die Vereinigung versagt blieb: der romantische Dichter Novalis und Sophie von Kühn.

In seinem Film Novalis - Die Blaue Blume nimmt Herwig Kipping die obsessive Trauer des Dichters über den Tod seiner Braut zum Anlaß, um eine assoziative Szenenfolge apokalyptischer Visionen in fast Greenawayscher Manier aufzureihen. Das tatsächliche Ereignis wird nicht historisch rekonstruiert. Stattdessen verspannt Kipping seine Collage durch einen visuellen Bogen, der die Ästhetik faschistischer Paraden und bekannte Gemälde der Romantik zitiert: Ein Schimmelreiter mit Totenkopfmaske, Sophie im durchsichtigen Kleidchen aufgebahrt in der Brandung bei Sonnenuntergang, ein Beerdigungszug als Kopie von C.D. Friedrichs „Abtei im Eichwald“. Beständig tauchen Bildzitate des patriotischen Malers Friedrich auf und gipfeln in einer Szene vor dem „Kreuz im Gebirge“. Erinnerungsfetzen an das gestrenge Elternhaus, den kriegsphilosophierenden Onkel, die erste Begegnung mit Sophie (hier auf Schloß Neuschwanstein) vermischen sich mit düsteren Zukunftsvisionen der Deutschen Nation bei Heavy-Metall-Klängen.

Die Szenencollage verschließt sich einem geradlinigen Verstehen, liefert aber relativ eindeutige Assoziationen. Mit romantischen Kostümen zwischen NS-Architektur und diversen anderen Anspielungen versucht Regisseur und Autor Herwig Kipping, seine Annahme, der Geist der Romatik sei Wegbereiter des Faschismus zu verdeutlichen. Wie wahr erscheint da die eingeblendete Texttafel im ersten Drittel des Filmes, auf der zu lesen war: „Wir glauben, was wir glauben wollen ... und so ist es dann auch.“ Ute Brandenburger