Frau frei von Furcht?

■ Bericht von einem fraulichen Vortrag

Das Glück, es ist ein Unterpfand, das eine Frau nur selten fand. Scheinen mancher die Wege dorthin verschlungen und unergründlich, so begreift eine andere das Glück als erfahrbar. Eine wortscharfe Denkerin letzterer Kategorie trug dazu ihren Erzählessay Mitten im Älterwerden am vergangenen Montag in der Evangelischen Akademie Nordelbien vor: die Schriftstellerin Jutta Heinrich.

Ihr einstündiges Nach-Denken eröffnete die diesjährige Vortragsreihe Weibsbilder der Evangelischen Akademie, die Amelie Gräf bereits zum fünften Mal organisiert. Diesmal lautet das Motto: „Was denkt ihr eigentlich?“. Leitgedanke hinter dieser scheinbar einfachen Frage ist die Annahme, daß Frauen an einer patriarchalisch geprägten Kultur und Geistesgeschichte nicht teilhaben können, stattdessen einen eigenen Weg finden müssen, eine weibliche „Liebe zur Welt zu kultivieren“, so Organisatorin Gräf.

Der Einladung zum öffentlichen Denken im zufällig herrenfreien Zirkel kam hauptsächlich die Vortragende nach. Ihr Essay nahm eine persönliche Todeserfahrung als „Bruch in der Selbstverständlichkeit des Daseins“ zum Ausgangspunkt, um über Geschlechterrollen und ein Dasein „frei von Furcht“ zu sinnen – mal im sprachlichen Duktus eines dahinplätschernden Thomas Mann, häufig mit atemlosen Substantivreihungen und leider inzwischen veralteten Rollenbildern.

Frauen seien durch ihre Fähigkeit zum Gebären dem Leben gegenüber dankbar gestimmt. Männer dagegen kerkern ihr Inneres durch Schrecken und Grausamkeit ein, blicken aus ihrer Trutzburg auf das Leben um sie herum. Frauen sollten deswegen zunehmend den Männern ihr Freiabo auf Lebensfurcht entziehen. Diese Harmonisierung könne ein Glück stiften, das sich mit der puren Existenz zufriedengebe, allem Wissen um Bedrohung zum Trotz.

Den Pfad zu einer weiblichen Denkkultur beschritten in der anschließenden Diskussion wenige Frauen. Klassische Stimmen sahen das Glück der Frau nahtlos mit der Mutterschaft verknüpft, verklärten die Mutterliebe zur angeborenen Glückspille. Andere stellten ihre Bewunderung für Jutta Heinrich in den Raum, unterstrichen die ge-dankliche Lebenshilfe. „Frauen sind zu wenig an den metaphysischen Festen des Daseins interessiert“, konstatierte die Schriftstellerin. Oder auf der Suche nach Vorbildern. Ute Brandenburger