Zorniger Heiland puterrot

■ Uwe Seeler will vorerst nicht HSV-Präsident werden, weil der amtierende Vorstand nicht zurücktreten mag / Noch wartet er Von Clemens Gerlach

So zornig hatte man Uwe Seeler lange nicht erlebt. „Mit dem Thema HSV bin ich vorerst durch“, schimpfte der desginierte Präsident, dessen Kopf dabei puterrot leuchtete. Kurz darauf legte er nach „ich bin überhaupt nicht mehr bereit, ein Gespräch mit diesen Herren, mit diesem aktuellen HSV-Präsidium zu führen.“

Jenes hatte der 58jährige zum sofortigen Rücktritt gedrängt, zuletzt in den Verhandlungen vom Montag. Eine Forderung, der die beiden Vize-Präsidenten Gerhard Flomm und Hans Schümann – im Gegensatz zu Präsident Ronald Wulff – jedoch nicht ohne weiteres nachkommen wollte. „Ich lasse mir die Pistole nicht auf die Brust setzen“, erklärte Flomm. Unter diesen Umständen will Seeler den Verein nicht vor der Jahreshauptversammlung am 27. November übernehmen: „Das hat sich vermutlich erledigt.“

Den Ausschlag hatte Montag abend die Entscheidung des HSV-Gesamtausschusses gegeben. Das nach der Hauptversammlung zweithöchste Vereinsgremium wollte Uns Uwe nur „zum kommissarischen Präsidenten“ ernennen. Zudem hätten Flomm und Schümann, beide bis November 1996 gewählt, noch bis zur Hauptver-sammlung amtieren sollen, um „eine ordnungsgemäße Übergabe der Amtsgeschäfte“ sicherzustellen. Doch zu diesem Kompromiß waren Seeler und sein Team, die neben dem Rücktritt auch noch die Einrichtung eines Aufsichtsrats verlangen, nicht bereit. Die dazu notwendige Satzungsänderung können jedoch nur die Mitglieder mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschließen.

Volker Lange, als Vizepräsident vorgesehen, sah in der Rücktrittsweigerung ein Indiz dafür, daß manchem „in der Diskussion um die Zukunft des HSV der Realitätssinn abhanden gekommen ist“. Ähnlich empfand es auch die „Leitfigur“ Seeler (Lange), die sich arg zusammenreißen mußte, um nicht vollends loszupoltern. „Wir sind im Moment nichts anderes als ein kleiner Provinzverein.“ Aber wenigstens einer, der bundesweit für Publicity sorgt. Dazu wollte gestern auch das Präsidium seinen Beitrag leisten: Zwei Stunden nach der Seelerschen Pressekonferenz lud es zur eigenen Veranstaltung. Vollständig versammelt, erklärte Wulff, daß sich niemand „dem Idol“ in den Weg stellen wolle. Nur, sekundierte Flomm, solle man doch „die Regeln der Fairneß“ einhalten.

Was die neue Crew vom NochPräsidium erwarte, sei „Pression“. Der geforderten Satzungsänderung liege ein „merkwürdiges Demokratieverständnis“ zugrunde: „eine Vergewaltigung der Mitglieder.“ Volker Lange findet es hingegen nicht diskussionswürdig, daß in Zukunft das Präsidium von einem Aufsichtsrat gewählt werden soll und nicht mehr direkt durch die Mitglieder. Der Verein benötige „moderne Strukturen“, das Verhalten von Flomm entspringe einer „Abwehrhaltung“. Doch ob das geschäftsführende Präsidiumsmitglied Flomm dabei bleiben wird? Der „Spießrutenlauf“ in den nächsten Tagen wird ihm einiges abverlangen. Einem Heiland stellt man sich nicht ungestraft in den Weg.