Mephisto, Betschwester, Affenliebe und Fratzen

■ Theater in der Basilika: Treffsichere Manager-Skizzen in Tim Firths „Vier Männer im Nebel“

So weit das Handy reicht, bestimmen sie, wo's lang geht. Aber kaum sind die vier Manager bei einem Segeltörn auf einer unbewohnten Insel gestrandet, sind sie allein mit ihren nie offen ausgetragenen Konflikten. Das klingt nach einem müden Remake von Der Herr der Fliegen, ist es aber nicht. Andreas Kaufmanns Inszenierung von Tim Firths Vier Männer im Nebel entwickelt sich zu einem mitreißenden Psycho-Drama, das bis an die Grenze des Wahnsinns die Abgründe der Manager-Seele ausleuchtet.

Bekanntlich ist stichelnder Sarkasmus das beste Mittel, um Aggressionen zu schüren, und so dauert es auch nicht lange, bis Zyniker Gordon (brillant gespielt von Kai Adler) sich mit allen drei Kollegen überworfen hat. Aber Zyniker sind ja nicht nur fies, sondern auch ungeheuer unterhaltsam, und daher hat Gordon stets Verstärkung, wenn er kübelweise maliziösen Spott über die anderen gießt: die Lacher im Publikum.

Sein Lieblingsopfer ist Fettwanst Angus (Detlev Moreau), Prototyp des ewigen Muttersöhnchens, der mit kindischer Affenliebe an seiner Frau hängt. Gordon braucht nur wenige Sätze, um das kuhäugige Eheglück zu zerstören, indem er ihm in bester Mephisto-Manier zermarternde Gedanken einflüstert: Was wäre, wenn Frau Angus grade jetzt auf dem Brottresen vom Supermarkt mit dem Filialleiter vögelt? So wird Angus bis zum Ende des Stückes kalt gestellt.

Aber auch der hypernervöse Roy (Gernot Kleinkemper) gerät schnell in Gordons Schußfeld: Nach einem Selbstmordversuch ist er nicht mehr richtig auf die Beine gekommen und bewegt sich nun mit metaphysischen Krücken voran: Unaufhörlich preist er Gott für Adler, Falken und Kühlschränke. Gordon kontert mit Statements aus dem Poesiealbum des Atheisten: „Christen sind wie Amateurfunker, keiner will mit ihnen reden und darum hängen sie dauernd zusammen.“ Betschwester Roy hält das nicht aus, flüchtet auf einen Baum und droht, sich umzubringen.

Aber auch der beste Zynismus wird auf die Dauer langweilig. Und so ist man froh, als der zunächst blasse Harmonisierer Neville (Karl H. Knaupp) seine moderierende Rolle verlässt. Mit der anrührenden Überzeugungskraft, die stillen Moralisten eigen ist, hält er Gordon den Fratzenspiegel seiner sinnentleerten Existenz vor.

Es spricht für diese Inszenierung, daß am Ende des Stückes die Konflikte weder blutig ausgetragen noch billig geglättet werden. Und den kleinen Fetzen „Moral“ hat Angus ohnehin schon vor der Pause gemurmelt: „Ich bin das absolute Mittelmaß: Ich schreie nicht, ich weine nicht, ich gehe nie bis an den Abgrund.“ Oliver Fischer