„Heilung für Homosexualität“

■ Nordelbische Synode sorgt sich um Gleichgeschlechtliches und Geld Von Miguel-Pascal Schaar

Heute abend endet die dreitägige Herbsttagung der Nordelbischen Kirche, aber nicht die Sorgen um das rückläufige Kirchensteueraufkommen. Das wird 1995 nur 690 statt der erwarteten 720 Millionen Mark von den derzeit 2,5 Millionen Mitgliedern einspielen. Neben solchen drängenden Haushalts- und Finanzierungsfragen war das zentrale inhaltliche Thema „Ehe, Familie und andere Lebensformen“.

Auf der lange vorbereiteten Themensynode hatten nun 140 KirchenvertreterInnen Gelegenheit, sich bei Vorträgen oder in Gruppensitzungen zu informieren und zu diskutieren: Ob und wie Wohngemeinschaften ins kirchliche Leben passen, welche Möglichkeiten es gibt, Alleinerziehende zu unterstützen oder was Ehen so schwierig macht. „Als Gottes Gebot und Verheißung“ forderte der konservative Schleswiger Bischof Knuth, die Ehe in ihrer kirchlichen Vorrangstellung zu belassen. Knuth erinnerte ans Gelübde: „In allen Bekenntnisschriften ist die Orientierung auf die Ehe als Gottes gute Ordnung vorgegeben.“ Die Kirche solle sich nicht von anderen vorschreiben lassen, was für sie wichtig sei.

Die Berliner Sozialwissenschaftlerin Dr. Gesine Heft forderte dagegen: „Die Ehe darf nicht das Maß aller Dinge sein!“ und kritisierte den „Ehezentrismus“ der Kirche, der andere Lebensformen abwerte. Jede Geschlechtergemeinschaft könne als Generationenvertrag verstanden werden. Die Konzentration auf die Ehe sei ausgrenzend und ließe „andere ersticken“. Um allen Raum zu geben, müßten „Netz-Modelle des Lebens“ geknüpft werden, da gebe es viel zu tun, konstatierte Gesine Heft. Die Welt verhungere, ersticke und explodiere, und die Kirchen kümmerten sich um die Reinheit der Lehre. „Die Kirche verschwindet vom Fenster der Welt – und wir reden noch über die passende Gardine.“

Doch auch konservative evangelikale Gruppen bezogen zum Umgang mit Homosexuellen Stellung, drohten mit Kirchenspaltung und menetekelten, die lutherische Kirche werde sich aufgeben, wenn sie schwule und lesbische Lebensformen anerkenne. Eine Synodale wußte gar von „Behandlungserfolgen und Heilungsmöglichkeiten“ von Homosexualität in der Psychotherapie zu berichten. Von Exorzismen war dann doch nicht mehr die Rede.

Im Vorfeld hatte der Schwulenverband Deutschland e.V. (SVD) bereits an die Synodalen appelliert, gesellschaftliche Entwicklungen nicht zu ignorieren, sondern forderte von der Kirche Akzeptanz und Dialogfähigkeit. Zu einem Eklat kam es, als Synodenpräsidentin Elisabeth Lingner und Bischöfin Maria Jepsen der solidarische Umgang mit Homosexuellen „vorgeworfen“ wurde. Einhellig distanzierte sich die Versammlung von solchen „Anwürfen“. Jepsen sagte im Abendgottesdienst dazu: „Die Konfrontation ist nötig, um dem Evangelium auf der Spur zu bleiben.“ Sie erinnerte an viele gute Erfahrungen, die gerade Lesben und Schwule in und mit Hamburger Gemeinden gemacht haben: „Warum sollte es nicht möglich sein, wenn in manchen Gemeinden Schwule und Lesben offen ihren pfarramtlichen Dienst versehen!“

Bei der Frühjahrstagung im März 1996 sollen konkrete Beschlüsse zum nun verfaßten Grundlagenpapier gefällt werden. Bis dahin wird eine verstärkte Kampagne konservativer Gruppen erwartet.