Wunsch: Quereinstieg ins Parlament

■ Gülbahar Kültür: Keine Quotenmigrantin / Anja Stahmann: Mehr Geld für Jugend

taz: Man kennt Dich als frauenbewegte Lyrikerin, Taxifahrerin und Filmemacherin. Du bist auch studierte Germanistin und Übersetzerin. Jetzt willst Du auf die Grüne Bürgerschaftsliste. Was qualifiziert Dich?

Gülbahar Kültür: Das ist doch schon eine Menge – die Erfahrungen aus dem Leben. Ich habe Ambitionen, Willen und Kompetenzen, ich konnte mich nur nie für die Politik entscheiden.

Welche Schwerpunkte willst Du setzen?

In den Bereichen Kultur, Frauen und Migration habe ich Erfahrung.

Die Grünen haben sich im politischen Betrieb etabliert und professionalisiert. Wo siehst Du Dich da?

Es kommt darauf an, wie man den Begriff Professionalität füllt. Ich meine, einer Partei tun Seiteneinsteiger gut. Vielleicht zeigt sich da auch, wieviel die Grünen von der Vergangenheit in die Zukunft tragen werden. Eine Prognose über mich habe ich keine.

Du bist in der Türkei geboren, hast aber den deutschen Paß.

Ja. Ich bin seit vier Jahren doppelte Staatsbürgerin.

Wie?

Das mit der doppelten Staatsbürgerschaft geht so: Du wirst ausgebürgert, bekommst den deutschen Paß und wirst dann in der Türkei wieder eingebürgert. Das geht beim türkischen Konsulat automatisch.

Und wie lange hast Du den grünen Mitgliedsausweis?

Seit letzter Woche. Ich wollte so kurz vor den Wahlen eigentlich nicht eintreten. Aber dann haben MigrantInnen mir Mut gemacht. Stimmung ist, daß wir in die Parteien müssen, um was zu ändern.

Als Quotenausländerin?

Die Gefahr besteht bei jeder Partei. Ich habe mich für die Grünen entschieden.

Weil die Grünen für ihre Glaubwürdigkeit Nachwuchs brauchen, der bestimmte Gruppen repräsentiert?

Ich war immer politisch – aber nie in einer Partei. Bei vielen Migrantinnen kocht es seit Jahren, trotzdem war wenig los. Natürlich gab es immer wieder eine Bewegung; wenn Häuser angezündet wurden, dann waren die guten Deutschen und aktive MigrantInnen immer dabei, etwas zu veranstalten. Das ebbt wieder ab, aber mit der Staatsbürgerschaft hat es seit langem wieder eine echte Hoffnung gegeben, daß sich wirklich was ändern würde. Dann hat die CDU die Debatte auf die doppelte Staatsbürgerschaft gebracht, die ja eigentlich nur ein Nebenthema ist – und alle haben dummerweise mitgespielt.

In Wahlzeiten werden Wahlversprechen gemacht. Was wäre Deins?

Ich kandidiere ja erst für eine Nominierung. Ich brauche Migrantinnen und Frauen zur Zusammenarbeit. In der Migrationspolitik würde ich mich dafür einsetzen, daß das Staatsbürgerschaftsrecht geändert wird. Ich würde den Punkt der doppelten Staatsbürgerschaft nicht in den Vordergrund rücken. Natürlich muß man gucken, daß die Aufklärung darüber gleichzeitig mit der Veränderung stattfindet. Aber bis die Menschen soweit sind, daß sie einem Gesetz zustimmen würden, dauert das. Manchmal muß man das Umdenken per Gesetz herbeiführen.

Die CDU sagt, die Reform sei ein Versuch der Grünen, ausländische Wählerstimmen einzufangen.

Da kann ich nur lachen. Ich kann mir vorstellen, daß das „neue Volk“ sozusagen bei den ersten Wahlen vielleicht grün oder sozialdemokratisch wählt. Aber es gibt viele ausländische Neubürger, die sehr konservativ sind und der CDU nahestehen.

Islamistische Gruppen werden immer wieder als Sicherheitsrisiko benannt. Wie siehst Du das?

Die Politik und die Medien müssen dafür sorgen, daß der Islam nicht als Feind Nummer eins dargestellt wird. Diese Art, Feindbilder herzustellen, ist nicht unbekannt – und paßt doch ins rechte Spektrum. Für die ist doch schon jeder Ausländer ein potentieller Krimineller.

Sind islamistische Tendenzen deswegen aber kein Thema?

Man muß aufklären über die Religionsgemeinschaft. Man darf den Vertretern der Fatih-Moschee nicht allein das Feld überlassen, was die Religion angeht. Fragen: ede

Anja Stahmann: Mehr Geld für Jugend

taz: Die Grünen wollen nach der Bürgerschaftswahl im Juni wieder mitregieren, klopfen derzeit aber Positionen fest, die nicht regierungstauglich sind.

Anja Stahmann: Das machen ja fast alle Parteien, um sich zu positionieren. Das Wahlprogramm, das die Grünen diskutiert haben, kommt von einzelnen Mitgliedern und aus den Stadtteilen. Und das sind wirklich die Themen, die die Menschen in Bremen interessieren und die für die Grünen wichtig sind.

Da kann es den aktuellen Schröder-Effekt geben: In der Regierungsarbeit findet man von dem, was man sich versprochen hat, wenig wieder.

Politik heißt auch, daß man Kompromisse machen muß. Das weiß ich auch aus meiner Arbeit in der Jugendpolitik. Auch wenn man bei einem kleinen freien Träger was durchsetzen will, muß man miteinander reden.

Was muß sich denn unbedingt ändern in der bremischen Politik?

Der Trend soll weggehen von der Flächenfraß-Politik.

Der Wirtschaftssenator sagt: Wenn wir nicht nur Warteschleifen finanzieren, sondern richtige Arbeitsplätze mit Perspektive schaffen wollen, dann müssen wir Betrieben, die sich erweitern oder neu ansiedeln wollen, höchst attraktive Flächen anbieten.

Man sollte auch neue Arbeitsplätze schaffen, etwa im Kommunikationsbereich.

Dafür gibt es, unter anderem, die Bremer Innovations-Agentur beim Wirtschaftssenator. Machen die was falsch?

Man müßte in diesen Bereichen auch neue Ausildungsplätze schaffen.

Der Staat oder die Firmen?

Die Firmen, aber der Staat könnte das kreativ anschieben. Es kommt darauf an, daß viele Gespräche geführt werden zwischen Politik und Wirtschaft.

Der Wirtschaftssenator würde sagen, das kann er besser als die Grünen.

Das weiß ich nicht. Er kommt aus der Wirtschaft, aber die Wirtschaft müßte aufgeschlossen sein für die Frage, was die jüngere Generation an Ideen hat.

Was müßte sich in der Jugendpolitik ändern?

Die Grünen wollen diesen Bereich finanziell besser ausstatten. Die Jugendeinrichtungen in Bremen krebsen nur vor sich hin.

An den Schulzentren gibt es auch einige Angebote für die Jugendlichen ...

Ich kenne das aus Kooperationen für bestimmte Projekte. Die Öffnung der Schulen an den Nachmittagen ist ein guter Weg. Im Vergleich dazu sind Jugendeinrichtungen geschützte Räume, an denen ihnen Erwachsene nicht hineinreden können. Manche Jugendliche bevorzugen das.

Wenn die Grünen mitregieren können – welche Ressorts sollten sie fordern?

Auf alle Fälle Wirtschaft.

Haben die Grünen eine kompetente Person dafür?

Ich denke schon.

Wer wäre das?

Helga Trüpel wäre eine gute Wahl. Das Bildungsressort wäre auch zentral. Helmut Zachau ist da sehr kompetent.

Dann also kein grünes Umweltressort?

Der Umweltbereich wäre bei den Grünen auch gut angesiedelt.

Die umweltpolitische Sprecherin der Fraktion, Lisa Wargalla, wird gerade abgesägt.

Das kann ich nicht einschätzen, die Mitglieder werden ihr Votum abgeben. Es geht erst einmal um die Ideen, um das Programm. Klar, eine Partei lebt auch von ihren Personen.

Kein Platz für Ralf Fücks als Senator?

Ich könnte mir den auch gut vorstellen. Fragen: K.W.