Die lustigen Schreiber von Hollywood

Insiderwitze für Literaturexperten sind auch dabei: „Shakespeare in Love“ präsentiert William Shakespeare als amerikanischen Kinohelden und Hollywood-Autor  ■ Von Brigitte Werneburg

Die Sache ist evident: „Rudern Sie dem Boot hinterher!“ Es ist die altbekannte Taxiszene des Detektivfilms. Der Held wirft sich ins Auto, am besten klemmt noch der halbe Mantel in der Tür, und schon drängt er: „Fahren Sie dem Wagen nach!“

Scherze dieser Art, Spielchen mit dem Genrekino, der Werbeästhetik, dem obligatorischen Psychoanalytiker und den hochgestylten Restaurants, kurz, derlei Späßchen mit Hollywood finden sich in „Shakespeare in Love“ zuhauf. Schließlich ging Drehbuchautor Marc Norman, mit keinem Geringeren als dem Theaterautorenstar Tom Stoppard im Bunde, davon aus, daß Shakespeare heute einen Vertrag mit einem großen Studio hätte, einen Porsche 911 fahren und in Bel Air leben würde.

Wahrscheinlich hat „Shakespeare in Love“ deshalb dreizehn Oscar-Nominierungen eingefahren. Wer dem Synonym für Weltkino ein so hübsches Porträt widmet, der muß belohnt werden. Tatsächlich hat die Idee etwas für sich, daß das Welttheater Shakespeares eigentlich nur noch — und erst wieder — mit Hollywood verglichen werden kann. Derjenige nun, der den Bootsmann anweist hinterherzurudern, ist Will Shakespeare selbst, der hinter Lady Viola her ist. In ihr hat er seine Muse gefunden, die ihn von seiner Impotenz, seiner entsetzlichen Schreibblockade erlösen wird: Er sieht sein neuestes Stück — Arbeitstitel „Romeo & Ethel, die Tochter des Piraten“ — schon vor sich.

Doch da sich die frisch gekürte Dame seines Herzens unglücklicherweise gezwungen sieht, Lord Wessex zu ehelichen, der sie in die amerikanischen Kolonien von Virginia (!?) verschleppen will („Ich kann mir vorstellen, daß Tabak eine Zukunft hat“), wird das Stück doch trauriger und tragischer enden, als zunächst geplant. Schließlich heißt es „Romeo und Julia“.

Doch bis dahin ist noch eine Menge Platz für Seitenhiebe auf Studiobosse, früher bekannt als Theaterbesitzer. Etwa wenn Will Philip Henslow vorwirft, „Du schuldest mir noch einen Herrn aus Verona“, also die halbe Gage in Anspielung auf sein Stück „Zwei Herren aus Verona“. Henslow freilich rächt sich und antwortet auf die Frage, wer denn Shakespeare sei: „Niemand — das ist nur der Autor.“ Es ist Platz für den typischen Geschlechtertausch, der die Geschichte im Rollen hält. Denn die reiche, schöne und gebildete Viola de Lesseps möchte gerne Schauspielerin werden, was den Frauen ihrer Zeit nicht erlaubt war. Also verkleidet sie sich als junger Mann und spricht bei Shakespeare vor. Und weil sie gut ist und die Anziehung so groß, spielt sie den Romeo, mit dem sich Will zu seiner eigenen Überraschung in einer langen Proben- Umarmung wiederfindet. Irgend etwas scheint mit seiner Libido wirklich nicht in Ordnung.

Auch Christopher Marlowe, der große Kontrahent und Schreiberstar der Zeit, den Shakespeare denn auch hemmungslos plagiiert, findet seinen Platz (allerdings nur kurz, da er zu Wills Karriereglück bald bei einer Kneipenrauferei erstochen wird). Es ist Raum für die liebevolle historische Rekonstruktion des Theaterbetriebs um 1590 mitsamt seinem Publikum; für den Priester Makepeace, der die Menge vor den Verführungen der Unterhaltungsindustrie warnt; für prächtige Kostüme, in denen eine mächtige ElisabethII. auch noch mitmischt bei der Geschichte.

Doch so leichthin die dramatischen Ebenen und Figuren verwoben sind, die Schauspieler mit großem Regiegeschick zu Bestleistungen angespornt wurden und der Produktionsetat in echten Schauwerte rüberkommt, am Ende kann man sich des Eindrucks eines „Best of Shakespeare“ nicht ganz erwehren.

Vielleicht sind Norman und Stoppard doch zu nahe an Hollywood gerückt, das ein Ort der Erwachsenen ist, auch wenn man für die Kids produziert. Romeo und Julia in echt ist hier nicht das Ding. Denn hier geht's um Gelder, Etats, den Tabak aus Virginia — ganz wie in „Shakespeare in Love“. Und damit ist der Film zu gediegen, zu erwachsen, zu sehr fürs Amüsement der Yuppies, um wirklich eindrücklich zu sein. Letztlich eine Idee, die doch nicht soviel für sich hat: das wohl komische, aber auch herzzerreißende Drama „Romeo und Julia“ als Screwball Comedy made in Hollywood.

R: John Madden. Mit Gwyneth Paltrow, Joseph Fiennes, Ben Affleck u.a. USA 1998, 123 Min.

14.2., 12 und 20 Uhr (Zoo Palast), 15.2., 12 Uhr (Royal), 20 Uhr (International), 23.30 Uhr (Urania)