■ Berlinalien
: Profis unter sich

Was machen Sie auf der Berlinale? fragt die schwarzhaarige Frau, die sich gerade an meinen Tisch im Café im Cinecenter- Filmmarkt setzt. Ach, Filme gucken, sage ich, und ein paar Artikel schreiben, für diese Zeitung hier: Ich halte die taz über ihren O-Saft. Also sind Sie Journalist? Dann gebe ich Ihnen das hier: Aus einem dicken Briefumschlag zieht sie ein Blatt Papier heraus, mit lauter Fotos von Frauen darauf. Die meisten schwarz. Draußen basteln Gerüstbauer auf dem „neuen“ Turm der Gedächtniskirche rum, sieht gefährlich aus. Im obersten Geschoß von Jopp- Frauenfitneß gegenüber schießen Beine in die Luft. Wie schafft man es, Journalisten für einen Film zu interessieren? fragt die fremde Frau. Auf ihrem Berlinale-Badge ihr Name, Maj Wechselmann, steht auch auf dem Zettel mit den Frauenfotos, und: Speak To Me Sisters: 25 South African women tell their story about apartheid (Panorama, 13.2., 11 Uhr, Filmpalast). „Ich war zwei Jahre in Südafrika, habe über 70 Stunden mit Interviews auf Video.“ Wie gefällt Ihnen die Berlinale, frage ich, obwohl ich solche Fragen nicht mag. Maj Wechselmann ist Schwedin, sie war schon öfter in Berlin. 1993 hat sie einen Film über die Zerstörung irakischer Kraftwerke im ersten Golfkrieg gezeigt. Sie erzählt aufgeregt von fliegenden Raketen und völlig zerstörten Stadtteilen. 95 Prozent der irakischen Stromversorgung wurden vernichtet, „das kann man doch nicht mit den Leuten machen“. Ich stelle mir vor, wie es wohl aussah, als Raketen in die Kirche gegenüber flogen, finde den Vergleich aber irgendwie falsch. „Und hier wollte keiner den Film sehen.“ Nach der Vorführung habe kein einziger Journalist mit ihr reden wollen. Jetzt wird das anders sein, sage ich, der Zettel ist schon mal gut gemacht. Ja, aber die Journalisten, die wollen doch immer die großen Sachen machen, Hollywood. Nein, sage ich möglichst überzeugend, hier sind auch ein paar andere. Und südafrikanische Frauen, die über ihren Kampf gegen die Apartheid erzählen, das muß die Leute doch interessieren. „Wenn Sie den Irak gesehen hätten“, sagt Maj Wechselmann. „Totaler Zynismus. Ich habe keine Distanz“, sagt die Frau, „dabei habe ich schon fast 40 Filme gedreht, preisgekrönte auch. Aber ich werde alt und senil.“ Quatsch, sage ich, und: Ich bin auch kein Profi. Plötzlich nimmt die Schwedin ihren Mantel und geht. Der Gerüstbauer draußen ist immer noch nicht runtergefallen. Andreas Becker