WG meets Mini-Art

■ Dichtung und Pferdetapete: Die Eröffnung des Matrix-Literaturclubs

Einen „bunten Abend zur Eröffnung eines eigenwilligen Lese-Saals“ versprach diese Zeitung vor drei Tagen an gleicher Stelle. Mehr noch: Voreiligen Unkenrufen zum Trotz sollte die Low-Budget-Vernissage im neuen, von Carsten Klook und FX Schroeder initiierten Literaturclub Matrix in der Waterloostraße 13 nicht „so richtig kleinkünstlerisch“ geraten. Vielleicht sah man ja deshalb an diesem Abend ca. 100 erleichterte und gutgelaunte Gesichter, die sich, verteilt auf 20 Quadratmetern, zentimeterweise von A nach B schoben, dekorativ vor der stilsicheren Pferdetapete drapierten und manchmal auch Pappbecher mit ihrem Namen versahen.

Ein umwerfend rundes Dazugehörigkeitsgefühl aus WG-meets-Mini-Art, das da an allen Ecken und Enden lauerte: „Vielleicht etwas Interesse an Kleinstkunst?“ so wühlte sich ein höfliches wie noch unentdecktes Zeichentalent samt folierter Lose-Blatt-Sammlung durch die Menge. Danke, im Moment gerade nicht, lautete die ritualisierte Antwort, fast, als wäre das Ganze eine versteckte Performance, an der alle teilnehmen mußten. Danach Straßen-Prosa von einem bärtigen Dichter aus Washington D.C. Lautstark schmetterte und wetterte dieser mit Hut und Mantel gewappnete Gerechtigkeits-Flaneur gegen das Prinzip von Mietwohnungen und für Jazz & Freiheit. Allesamt Werte, die in dieser Form mehr erduldet denn abgenickt wurden. Danach hieß es raus aus den Fesseln von Spekulantentum und Urbanität und hin zu Protestsong und Akustikgitarre. Eine Maid im Abendkleid gab Lieder von Nico zum besten. Böse, wer dabei an die Grand-Prix-Gewinnerin Nicole dachte!

Wir wissen nicht, wie genau diese Nacht zu Ende ging, denn für uns war nach dieser Darbietung aus Schüchternheit und Scheitern auf jeden Fall Schluß. Vielleicht, weil die Grundideen des Wohnzimmer-Clubs Matrix größer scheinen und kleiner in die Tat umgesetzt wurden, als manche an diesem Abend wahrhaben wollen.

Oliver Rohlf

morgen, 21 Uhr: Carsten Klook und FX Schroeder