Gesundbrunnen wird das „Tor zum Norden“

■ Die Pläne für den neuen Fern- und S-Bahnhof liegen aus. Bahnhofshalle soll die Gleise überwölben, Lärmwände sollen die Anwohner schützen. Der VCD befürchtet Schleichverkehr durch Wohngebiete

Wer am Bahnhof Gesundbrunnen aus der S-Bahn steigt, steht mitten auf einer Baustelle. Rings herum wird gewerkelt. Eine provisorische Holztreppe führt vom Bahnsteig auf die Badstraßenbrücke. Von dort oben wird erst sichtbar, wie groß die Baustelle ist: Auch auf der anderen Seite der Brücke sieht man nichts anderes. Im ersten Moment verwundert es daher, wenn die Bahn jetzt bekannt gibt, daß das Planfeststellungsverfahren für den Bahnhof Gesundbrunnen eingeleitet ist – das schließlich die Voraussetzung zum Bauen ist.

Am Gesundbrunnen, der Schnittstelle der Bezirke Wedding, Prenzlauer Berg und Pankow, entsteht eines der größten und kompliziertesten Bahnprojekte Berlins: das Nordkreuz. Zusammen mit den Bahnhöfen Spandau im Westen, Ostbahnhof und Lichtenberg im Osten, Papestraße im Süden sowie dem Lehrter Bahnhof und dem Zoo im Zentrum wird damit das Konzept der Deutschen Bahn (DB) für die Hauptstadt komplettiert. Für einen Teil des künftigen Gleisknotens im Norden sind die Pläne bereits genehmigt, doch für die wichtigsten Bauvorhaben steht das noch aus. Das teilte Gerty Lücke von der DB Projekt Knoten mit. Und dafür ist jetzt das Verfahren eingeleitet.

Rund 350 Fern- und Regionalzüge, darunter 84 ICE, sowie 40 Güterzüge sollen vom Jahr 2002 an täglich am Bahnhof Gesundbrunnen halten, dem „Tor zum Norden“. Um jegliche Verzögerung durch Gegenverkehr zu vermeiden, werden die Gleise kunstvoll auf zwei bis drei Ebenen übereinander gelegt. Drei Fernbahnsteige wird es geben, von denen einer bereits im Bau ist. Zwei davon müssen 400 Meter lang sein, damit der ICE dort halten kann.

Hinzu kommt ein zweiter S-Bahnsteig, der ebenfalls schon genehmigt ist. Der Umbau des Nordkreuzes hat auch für den Berliner Stadtverkehr Bedeutung. Der S-Bahn-Nordring wird dadurch endlich geschlossen. 2001 soll die Verbindung fertiggestellt sein. Viel zu spät, sagen Umweltverbände. Hätte der Senat das nötige Geld nicht in den Tiergartentunnel gesteckt, könnte die Verknüpfung längst existieren, kritisierte Axel Mauruszat vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Parallel zur Ringschließung wird die S-Bahn in Nord-Süd-Richtung mit der Ringbahn verknüpft. Auch die Verbindung des Berliner Umlands zum Bahnhof Gesundbrunnen mit Regionalzügen ist nach Meinung des BUND mangelhaft. Nur die Trasse der „Stettiner Bahn“ nach Bernau werde ausgebaut. Die Hennigsdorfer dagegen müßten weiter auf eine Regionalzug-Verbindung zum Nordkreuz warten.

Die Planung des Bahnhofsgebäudes läuft ebenfalls noch. Die im Graben liegenden Gleise bekommen einen Deckel übergestülpt. Darauf soll die Empfangshalle errichtet werden, die dann vom Gesundbrunnen-Center ebenerdig erreichbar ist. Die Architektur soll laut Bahn an die „schnörkellose Zweckmäßigkeit“ der Verkehrsbauten aus den zwanziger Jahren anknüpfen. Das paßt dann auch zu dem unter Denkmalschutz stehendem Eingangsgebäude der U-Bahn, das vor allem wegen seiner steilen langen Rolltreppe bekannt ist.

Die Ausstattung der Bahnhofshalle steht noch nicht endgültig fest. Auf jeden Fall soll es Geschäfte geben, die „den Reisebedarf abdecken“, wie Bahn-Sprecherin Marianne Schwarz sagte, also Blumen- und Zeitungsläden sowie Imbisse. Die Einrichtung weiterer Geschäfte werde noch geprüft. Schließlich liegt das riesige Gesundbrunnen-Center direkt gegenüber. Diese Nachbarschaft hat für die Bahn aber auch Vorteile. Derzeit verhandelten sie mit den Center-Managern über die Nutzung der Parkgarage. Auf dem Bahnhofsvorplatz wird es 40 Stellplätze für Autos geben. Dafür wird die Badstraßenbrücke verbreitert.

Mit Schleichverkehr zum Bahnhof müssen künftig vor allem die Anwohner der Behm- und der Schivelbeiner Straße in Prenzlauer Berg rechnen. Denn die Brücke über die Gleise, die die Behmstraße/Wedding mit der Behmstraße/ Prenzlauer Berg verbindet, wird wieder hergestellt. Dann werden sich viele Autofahrer den Umweg über die vielbefahrene Bornholmer Straße sparen und durch die Wohngebiete rauschen, befürchtete Stefan Kohte vom Verkehrsclub Deutschland (VCD).

Das wird jedoch nicht die einzige Lärmbelästigung sein, der die Anwohner ab 2001 ausgesetzt sind. Denn die Züge überschreiten die Lärmhöchstwerte. Schallschutzwände in der Behm-, der Bellermann- und der Kopenhagener Straße müßten aber so hoch sein, daß die Wohngebäude im Schatten liegen. Deshalb werden 39 Häuser von der Bahn mit Lärmschutzfenstern ausgestattet. In der Dolomiten- sowie der Florastraße in Pankow ist dagegen genügend Platz für Lärmschutzwände.

BUND und VCD haben bislang keine größeren Einwände gegen das Bauvorhaben. Sie wollen aber in den nächsten Wochen aufmerksam die ausliegenden Pläne studieren. Eines ist aber schon sicher: 74 Bäume müssen dran glauben. Jutta Wagemann

Die Baupläne liegen bis zum 26. Februar in den Stadtplanungsämtern Wedding, Prenzlauer Berg und Pankow zur Einsicht aus. Bis zum 12. März können bei der Senatsverkehrsverwaltung Einwendungen erhoben werden.