„Noch ist Grün meine Hoffnung“ –betr.: „Wir müssen Kurs halten“, taz vom 9. 2. 99

Nach der Wahlniederlage für die Grünen in der Hessenwahl liest man zwar viel über „Realo“ versus „Fundi“, „Kurs halten“, „Profil in der Koalition bewahren“ etc., leider aber sehr wenig über Kompetenz und Professionalität. Wenn zum Beispiel Bundesumweltminister Trittin glaubt, die Nuklearwiederaufbereitungsverträge mit England und Frankreich anläßlich des Regierungswechsels kündigen zu können, aber das erwiesenermaßen nicht stimmt, dann ist das Inkompetenz, an die wir uns eventuell über die letzten 16 Jahre Kohl-Regierung gewöhnt hatten, die ich aber nicht von einer rot-grünen Regierung erwartet hätte. [...] Was immer der rot-grüne Koalitionsvertrag zum Thema Nuklearausstieg vorsieht, es ist zum einen Aufgabe des Schattenkabinetts, sich vor der Wahl zu informieren, was geht und was weniger, zum anderen: nichts ist schädlicher als solche offenkundigen Bauchlandungen wie von Trittin in diesem Falle. Die neue Regierung wird schlicht unglaubwürdig und gefährdet dadurch auch die Umsetzung von bedeutenden und realistischen Gesetzesvorhaben wie das zum „Doppelpaß“. Wolfgang Keller, Austin, Texas, USA

betr.: „Die Niederlage ist hausgemacht“, „Überall ist Hessen“, taz vom 9. 2. 99

Dem Kommentar von Eberhard Seidel-Pielen und dem Debattenbeitrag von Micha Brumlik ist noch folgender Aspekt hinzuzufügen. Zu jammern, daß die CDU ihre Chance gesucht und gefunden hat, verschleiert nur die bittere Wahrheit, daß das links-liberal-alternativ-rot- grüne Lager verantwortlich dafür ist, daß die gesellschaftliche Luft für die Reform des Staatsbürgerrechtes sehr dünn geworden ist.

Rot-Grün in Hessen hat es versäumt, der CDU-Kampagne offensiv entgegenzutreten und Rot-Grün im Bund hat die Reform miserabel vorbereitet.

Aber auch dies kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß ein Großteil des links-liberal-alternativ-rot-grünen Lagers die politische Brisanz des Themas völlig unterschätzt hat. Ihr politisches Bewußtsein, gespeist auch aus einer tendenziell anti-parlamentarischen Haltung, haben sie am heimischen Garderoben-Haken abgehängt und auf dem Sofa ihre „Schadenfreude“ gepflegt.

Sie sind nicht zur Wahl gegangen und haben letztendlich zum Wahldesaster von Rot-Grün beigetragen. Daß ein ehemaliger hessischer grüner Fraktionsvorsitzender dann auch noch öffentlich (taz, Seite 5) seine „Schadenfreude“ pflegt und sich als Spitze des Eisberges sieht, verdeutlicht nicht nur meine Einschätzung, sondern zeigt auch, wie sehr das politische Bewußtsein dieser Damen und Herren auf den Hund gekommen ist. Komme keiner und schiebe die Schuld auf das System, die Parteien, die Fremdenfeindlichkeit eines Teils der Bevölkerung. Wir – das links-liberal-alternative-rot-grüne Lager – hatten es in der Hand, den Angriff der CDU zu stoppen – aber wir haben versagt. Günter Pabst, Stadtverordneter in Schwalbach am Taunus

betr.: „Grüne verspielen Regierungsmacht in Hessen“, taz vom 8. 2. 99

[...] Die Grünen in Bonn aber auch vor allem in Hessen, haben ein Glaubwürdigkeitsproblem. Wer innerhlb nur einer Legislaturperiode derartig viele Skandale produziert und sich im innerparteilichen Klüngel verheddert wie die hessischen Grünen, braucht sich nicht zu wundern, wenn die WählerInnen in den Grünen keine alternative Partei mehr sehen und dies dann mit dem Stimmenentzug bei der Wahl quittieren.

Auf Bundesebene stellt sich das Problem etwas anders dar: Egal wie schlecht die Kompromisse für die Grünen auch ausfallen, Fischer & Trittin versuchen, alles als Erfolg zu verkaufen. Es ist selbstverständlich, daß in einer Koalition der (wesentlich) kleinere Koalitionspartner schmerzliche Abstriche machen muß. Das dürfte auch den meisten Mitgliedern der Grünen und den WählerInnen klar sein. Aber was mensch wenigstens erwarten kann, ist, daß Klartext gesprochen wird und Niederlagen auch als solche bezeichnet werden. Es war ja schon äußerst peinlich, als Jürgen Trittin die Ergebnisse (welche Ergebnisse eigentlich?) der Klimakonferenz in Buenos Aires als Erfolg gewertet hat. Ein „Dieses Mal haben wir nichts erreicht, aber laßt uns weiter gemeinsam auf eine Veränderung hinarbeiten“ wäre da wesentlich ehrlicher.

Wenn die Grünen nicht tatsächlich zu einer stinknormalen Partei werden und damit zum Beispiel auch ihren bisher überproportionalen Zuspruch bei Jugendlichen gefährden wollen, dann sollten sie versuchen, ihre alte Glaubwürdigkeit wiederherzustellen. Dazu gibt es meiner Meinung nach nur einen Weg: Die Wahrheit auszusprechen, auch wenn sie unbequem ist, und sich an die eigenen moralischen Ansprüche zu halten. Ein bißchen mehr Selbstbewußtsein und Standfestigkeit gegenüber der SPD könnte zudem auch nicht schaden. Noch ist Grün meine Hoffnung! Marco Rieckmann, Landesvorstandsmitglied der Grünen Jugend Niedersachsen, Lüneburg

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