"Bei allem Respekt vor Matthäus: Der Fußball hat sich verändert"

■ Fußballtrainer Volker Finke über die Darbietungen des DFB-Teams, Paul Breitners Ideen ("ein Treppenwitz") sowie seinen Vorschlag nach Stopp des taktischen Rückzugs in die St

taz: Herr Finke, am Freitag ist wieder Bundesliga, aber alles redet nur vom Niedergang des deutschen Fußballs.

Volker Finke: Die Leistung der Nationalmannschaft gegen die USA war — ich spars mir. Für die Branche finde ich es schade, denn in der Bundesliga wird oft besserer Fußball geboten. Gegen die USA hat es überhaupt keinen Spaß gemacht, zuzuschauen. Das Spiel wirkte nicht nur freudlos, sondern man hatte das Gefühl, daß die Mannschaft nicht als Gruppe und ohne Konzept aufgetreten ist. Andererseits haben mir die Amerikaner mit ihrem Kurzpaßspiel Freude gemacht.

Bayern München wird zu einer europäischen Spitzenmannschaft, die Entwicklung der Nationalelf jedoch ist entgegengesetzt. Ist es Zufall, daß Ottmar Hitzfeld erstmals zarte Kritik an den DFB- Trainern übt?

Die Nationalelf ist in einer schwierigen Übergangsphase. Jetzt relativiert sich auch vieles, was gegen Berti Vogts vorgebracht wurde. Ich glaube, die Spielauffassung der Nationalmannschaft müßte sich klar orientieren an den besten Vereinsteams – das könnte uns einen Schritt vorwärtsbringen. Und wir sollten weniger von deutschen Tugenden reden. Daß wir konzeptionell oder fußballtechnisch nicht so gut spielen können wie andere, stimmt doch nicht. Die Dänen mit ihrem kleinen Reservoir an Spielern haben eine hervorragende WM gespielt und sind in einem phantastischen Spiel ausgeschieden – da kann jeder in den Spiegel schauen.

Wie schafft man es, die Nationalelf zu modernisieren?

Patentrezepte gibt es keine. Aber das Durchschnittsalter ist mit ungefähr 30 Jahren einfach zu hoch. Da muß man den Mut haben, 22-, 23jährige reinzuwerfen und sie nach einem schlechten Spiel nicht gleich wieder auszuladen – das gehört jetzt dazu. Eine reine U21, wie es jetzt Paul Breitner gefordert hat, ist ein Treppenwitz – die Mischung muß stimmen. Eine Verjüngung tut Not nach den Mißerfolgen, die auch mit bestimmten Spielern zusammenhängen. Schade war zum Beispiel, daß Stefan Beinlich bei der USA-Reise verletzt war.

Liegt es nur an einzelnen Spielern?

1996 sind wir Europameister geworden mit einer Veränderung des traditionellen deutschen Spielsystems: mit nur einem zentralen Manndecker, mit Sammer davor oder dahinter und einem sehr flexiblen Mittelfeld. Fußballtaktisch waren wir da weiter. Nach Sammers und dann auch noch Thons Verletzung im Vorfeld der WM wurde in Frankreich alles über den Haufen geworfen. Bei allem Respekt vor Matthäus und seiner individuellen Leistungsfähigkeit: die Spieleröffnung im modernen Fußball hat sich verändert. Dazu gehören auch zwei, drei Kurzpässe, dazu gehören Manndecker, die von hinten raus gut Fußball spielen können.

Parallel zur darbenden Nationalelf wird über die Ausweitung der Champions League, die Terminenge und eine mögliche Reduzierung der Liga diskutiert.

Eine Reduzierung ist völliger Quatsch. Mir fehlen die fußballspezifischen Argumente. Wenn in Ländern wie Spanien, Frankreich oder England, wo überall mit mehr Mannschaften auf hohem Niveau Fußball gespielt wird, nicht alles falsch gemacht wird, warum soll dann bei uns eine Reduzierung von 18 auf 16 Vereine Sinn machen? Für mich das einzige Kriterium: Was bedeutet es für die Qualität des Fußballs?

Diese Frage stellt sich auch bei der Diskussion über die Anzahl der Ausländer in den Bundesligaklubs.

Der einzige Maßstab für mich ist: Wie ist die Identifikation des Spielers mit seinem Beruf, mit seinem Verein und mit den Fans. Es darf nie heißen: Das ist jetzt der Ausländer zuviel. Eine Quotenreglung halte ich deshalb für überhaupt nicht zeitgemäß, damit bekommen wir die Probleme nicht geregelt. Womöglich wird mir jetzt entgegengehalten, der Finke will die deutschen Spieler nicht schützen – natürlich will ich das. Am liebsten wären mir drei aus dem Glottertal, zwei aus dem Elztal und zwei aus dem Hotzenwald – wenn die Leistung stimmt. Interview: Uli Fuchs und

Christoph Kieslich