Das riskante Comeback der ruhmreichen Nummer 6

■ Volleyball-Größe Maike Arlt ist nach langem Zögern zurückgekehrt, um ihrem CJD Berlin in die Play-offs zu helfen. Nach dem 0:3 gegen Creglingen muß sie schon um ihren Ruf fürchten

Berlin (taz) – Für Eishockey- Star Wayne Gretzky lag überall das Trikot mit der Nummer 99 bereit, für den Basketballer Michael Jordan das mit der 23 – und für Maike Arlt (35) blieb immer das Jersey mit der Nummer 6 reserviert. Arlt, eine internationale Volleyballgröße, hatte 1996 mit dem Leistungssport aufgehört und war vom Bundesligisten CJD Berlin zum Zweitligisten Eichwalde 08 gewechselt. Die „Nummer 6“ war beim CJD daraufhin aus dem Sortiment genommen worden. Sie sollte erst dann an eine andere Spielerin vergeben werden, wenn diese Leistungsstärke und Charisma der 301fachen Nationalspielerin erreichte. Am Samstag lief nun erstmals wieder bei einem Heimspiel eine Akteurin mit der „6“ auf – Arlt selbst.

„Sie hat es sich mit ihrer Rückkehr nicht leichtgemacht, lange gegrübelt. Schließlich hat sie einen Ruf zu verlieren“, sagt Berlins Manager Siegbert Brutschin. Arlts Karriere in Stichworten: Zweimal holte sie mit der DDR den Europameister-Titel. Mit den Berliner Clubs SC Dynamo und CJD wurde sie zweimal Europapokalsieger, mehrfach Deutscher Meister und Pokalsieger. Ehrenmitglied Arlt war nie ganz vom CJD weggegangen. Sie half bei der Sponsorenbetreuung. Wenn sie mittrainierte, „war sofort Feuer unterm Dach. Sie kann überhaupt nicht verlieren“, so Brutschin.

Es waren vor allem zwei Gründe, welche die Berliner um Arlts Rückkehr kämpfen ließen: der bisher verunglückte Saisonverlauf und die Einführung des „Liberos“. Der Libero spielt nur im Hinterfeld, blockt und schmettert nicht. Für diese Position sind daher vor allem in zwei Bereichen Fähigkeiten gefordert: bei der Annahme und der Feldabwehr. Dieses Anforderungsprofil las sich wie eine Stellenbeschreibung für Arlt.

Nun ist sie wieder da – und muß gleich leiden. Gegen den TV Creglingen verlor der indisponierte CJD vor 300 Zuschauern klar mit 0:3 (1:15, 10:15, 6:15) – und das in nur 61 Minuten. Diese Niederlage wirft die Berliner im Kampf um die Play-off-Plätze weit zurück. Dabei hatte der CJD als Saisonziel ausgegeben, um die „Medaillen“ mitzuspielen. Mit nun 10:12-Punkten scheint der dafür notwendige sechste Platz jedoch erst einmal außer Reichweite zu sein.

„Wir haben in keinem Element Bundesliganiveau bewiesen“, resümierte Trainer Volker Spiegel mit gefrorenen Gesichtszügen. Bevor sein Team überhaupt ins Spiel gefunden hatte, war der erste Satz schon verloren. Den zweiten Satz gestalteten die Gastgeberinnen bis zum Stand von 10:10 ausgeglichen. Dann verletzte sich die international erfahrene Hauptangreiferin Janete Strazdina an der linken Wade – Verdacht auf Muskelfaserriß. Ihr Ausfall brachte den Spielfluß vollends zum Erliegen.

Selbst Gästetrainer Mathias Eichinger verzichtete auf diplomatische Höflichkeitsfloskeln. Er meinte nur, einmal pro Saison dürfe man seinem Publikum so eine schwache Leistung anbieten. „Da haben wir unser Soll schon übererfüllt“, antwortete Manager Brutschin frustriert. Derweil beeilte sich CJD-Trainer Spiegel, Maike Arlt von seiner Grundsatzkritik auszunehmen: „Sie hat ihre Libero-Aufgabe hervorragend gelöst.“ Eine Einschätzung, die nicht alle Experten teilten. Arlt selbst wollte sich nicht äußern: „Heute bitte nicht. Tut mir leid“, beschied sie Gesprächswünsche abschlägig. Sie hatte einen „dicken Hals“. Verständlich: Schließlich hat sie einen Ruf zu verlieren. Markus Geling